Titelseite von "Mücken und Elefanten"

1992

In eigener Sache

Musik und Politik, sagte mir kürzlich
ein geschätzter Kollege, das paßt einfach nicht zusammen.
Texte müssen so knapp sein wie Miniröcke
und so schnell an einem vorbei wie ein
voll durchgetretener Cadillac.
Alles andere ist Besserwisserei,
Sozialkritik, pfui Deibel!
Einspruch, Euer Ehren.
Es gibt nämlich Leute, die tatsächlich einiges
besser wissen als andere Leute.
Und wenn sie das verschweigen,
sind sie Schreibtischmittäter der galoppierenden Blödheit.
Wer nur aus dem Bauch heraus dichtet,
produziert Blähungen.
Die freilich werden von den Massenmedien beklatscht:
Wer selber stinkt, lädt andere gern zum Mitstinken ein,
bis keiner mehr riecht, was wirklich faul ist.
Wenn einer wie Sting nur zwei Jahre lang hintereinander
die Mörder Mörder und die Schweine Schweine nennt,
ist er gleich ein nervtötender Exlehrer.
Wenn dagegen einer wie Springsteen endlich aufhört,
öffentliche Wunden zu beschreiben und eine ganze Platte lang
den immergleichen Beziehungsmisthaufen umgräbt,
ist er ein nachdenklicher Poet.
Schließlich ist Bruce der Boß,
und Bosse schaffen Meisterwerke,
Exlehrer dagegen nur Hausaufgaben fürs Bewußtsein.
Hüten wir uns vor allzu nachdenklichen Poeten
(und nehmen wir Springsteen vor dieser Beleidigung
in Schutz!).
Wenn Poeten nicht wenigstens ab und zu mal vordenken,
gibt's zu viel Beifall von der Habenseite
und zu wenig Gärung im Soll.
Musik und Politik,
das paßt zusammen.
Da könnten die Bösewichte Gift drauf nehmen,
leider tun sie's nicht.

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