Titelseite von "Mücken und Elefanten"

1992

Herr Kardinal

Herr Kardinal,
du bist umgeben von Verführung und Verrat.
Sogar der Papst bekommt sein eignes Attentat,
und immer frecher zuckt es unterm Zölibat.

Herr Kardinal,
in deinem Hinterkopf ist wieder Damenwahl:
Ein Traum von Lenden, die verschwenden, ohne Zahl,
für Gottes Seelenhunger – äquatorial.

Herr Kardinal,
was hat der Kampf fürs Gute bloß aus dir gemacht?
Herr Kardinal,
dein trockner Husten klingt wie Waldbrand in der Nacht ...

Herr Kardinal,
du sprichst so lange schon nicht mehr vom Himmelreich,
und auch die Hölle klopft die Schäfchen nicht mehr weich.
Habt ihr euch insgeheim geeinigt per Vergleich?

Herr Kardinal,
du siehst DIE SEUCHE als erlösendes Gericht,
schon beim Gedanken dran verjüngt sich dein Gesicht,
denn endlich lohnt sich – kaum zu glauben! – dein Verzicht.

Vater der du bist im Himmel –
sag, wo hast du Mutter verscharrt?
Von der Zukunft ganz zu schweigen:
Deine liebeskranken Kinder haben nicht mal eine Gegenwart.

Von oben schallt's mit hellem Ton:
Sei doch endlich still, mein Sohn.
Bete drei Mariacron,
Augen zu, dann klappt das schon.

Herr Kardinal,
was hat der Kampf fürs Gute bloß aus dir gemacht?
Herr Kardinal,
dein trockner Husten klingt wie Waldbrand in der Nacht ...

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