Es kommt der Tag

Ein warmer heller Juniabend. Die Wärme und die Helle
lügen. Blonde Frauen in blauen Hosen,
die ihre prallen, noch vom unentschlossenen Frühjahr weißen
Waden freilassen, stehen mit Kindern auf den Armen
an Bahnsteigkanten. Insofern die Waden als Signal gemeint sind,
lügen sie. Insofern die Kinder den einlaufenden Zügen winken,
lügen sie auch. Männer steigen aus.
Sie begrüßen knapp die Frauen
und überschwenglich die Kinder. Sie lügen.
Die Frauen haken sich bei den Männern unter.
Man geht heim. Es wird ein wohlverdienter Feierabend.
Irgendwann werden die Männer das Licht löschen
und den Frauen in die Furche fassen.
Insofern es die Männer damit eilig haben,
lügen sie. Insofern die Frauen dazu seufzen,
lügen sie auch.
Es kommt der Tag, und er ist nicht mehr fern,
da wird das alles wahr sein.
Das wird der Tag sein, an dem Männer, Frauen und Kinder
das Gefühl haben werden, zu lügen und belogen zu werden.
Sehr dunkel wird es werden,
wie in einem Eisenbahntunnel.
Der Zug wird leer sein,
das Gleis dagegen gerammelt voll.