Titelseite von "Mücken und Elefanten"

1992

Das Wetter von Gestern

Zwanzig Uhr. Sie hören Nachrichten.
Moskau.
Staats- und Parteichef Gorbatschow kündigt an,
die Rote Armee vollständig aufzulösen und sämtliche
Soldaten zu Ökotrophologen umschulen zu lassen.
Bonn.
Bundeskanzler Kohl bezeichnete die Erklärung Gorbatschows
als einen "Schritt in die richtige Richtung",
schloß aber jegliche Reduzierung der westdeutschen
Truppenstärke vor einer Wiedereinführung des Zarismus aus.
Phoenix, Arizona.
Bundesverteidigungsminister Scholz, der zur Zeit
persönlich an einem Tiefflugtraining in Kakteenhöhe teilnimmt,
fühlt sich von der amerikanischen Presse falsch zitiert.
Dort hieß es, er habe die Verlängerung des Grundwehr-
dienstes einen "Rammstein der Nachkriegsgeschichte" genannt.
In Wirklichkeit, so Scholz, habe er von einem
"Meilenstein der Vorkriegsgeschichte" gesprochen.
Washington/Oggersheim.
Regierungssprecher Friedhelm West findet an dem
amerikanischen Vorwurf, deutsche Chemiefirmen hätten in
Libyen ein "Auschwitz im Wüstensand" errichtet, nichts auszusetzen.
West wörtlich: "Mein Sprachgefühl sagt mir, daß eine
Formulierung wie "Buchenwald im Wüstensand" vollkommen unerträglich wäre."
Westberlin.
Der Wahlkampfslogan der Republikaner "Nicht
ausländerfeindlich sondern deutschfreundlich" stößt bei der
Wahlkampfleitung der CDU auf kollegiales Wohlwollen. Für
den nächsten Urnengang hat sich die Union das Motto
"Familienzusammenführung aller Roten in der Zone" auserkoren.
Sie hörten Nachrichten.
Es folgt das Wetter von gestern.

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