Cover des Buches "Nicht daß ich wüßte"

1995

So

So wie man früher in Tierfilmen nie zu sehen bekam,
wie sie sich paaren.
So wie sich heutzutage in Spülmittelwerbespots die Männer
ungeschickt in häßlichen Schürzen mit hartnäckigen
Speiseresten abquälen, bis schöne Frauen, die unverkennbar
ganz andere, schürzenlose Männer im Kopf haben,
im Bild erscheinen, um ihre schlechtere Hälfte über ihre
Dummchenhaftigkeit aufzuklären.
So wie man einen leichten, einen GANZ leichten bayrischen
Akzent haben muß, wenn man es im diesem Land zu etwas bringen will,
egal in welcher Profession. So einer wie Berti Vogts,
dieser verklemmte, vom Gesichtsausdruck her irgendwie
an Verstopfung leidende CVJM-Fähnleinführer,
könnte damit geradezu ... Bundestrainer werden. Oder gar Teamchef.
So wie man sich an neue Wörter gewöhnen muß, die man für
uralt und erledigt hielt: wie PESTKONTROLLE.
Oder an ein Leben ohne F.D.P.
Was von ihr bleibt, sind die drei Punkte hinter den Buchstaben,
Punkt Punkt Punkt ... ein schlaffes Verschweifen ins
ratlos unendliche Vakuum.
So wie man immer hoffnungsloser zum Arzt geht, je älter man wird.
Schmerzhaft hat man ihn im Lauf der Jahre eingeübt,
den Verzicht auf die Hoffnung auf Heilung.
Mitleid empfindet man mit den blassen zermürbten Doktoren,
denen es allemal schlechter geht als einem selbst.
Teilnahmsvolle Konversation macht man und versucht,
ihre zitternden Hände zu übersehen, wenn sie den Rezeptblock
mit ägyptischem Geschmiere bedecken. Gruß an die Gattin
und kein Wort zum Alkohol: in beiderseitigem,
augenzwinkerndem Einvernehmen.
So wie es in den gepflegten Vorgärten mittags gegen 13 Uhr
überall angebrannt riecht, weil die kochenden Luxusmäuschen
über lauter Nagellackpusten und Tennislehrertelefonaten
ihr Teflon verglühen lassen. Und ihre Männer, in denen
das karzinogene Recht des Stärkeren bis in den Adamsapfel pocht,
deren bleierner Magen sie dumpf am Boden festleimt wie eine
britische Fliegerbombe, die unter einer Berliner Mietskaserne
auf ihren Augenblick wartet, schaufeln widerspruchslos
den verdorbenen Fraß in die schlabbrigen Backen, aus Angst davor,
nachts unerlöst wachliegen zu müssen, den Schlafatem der
duftenden Gattin im Ohr, und nicht ihren salzigen
Fruchtfleischgeschmack und kein Schamhaargekräusel im Mund.
So wie man bei jedem nächtlichen Erwachen ab Mitte Dreißig,
schweißgebadet und aller erdenklicher Schuld bewußt,
ein Stückchen genauer weiß, wie das ist, wenn man stirbt.
So wie man tatenlos mit ansehen muß, daß nichts bleibt, wie es war,
und sich sogar die für unergründlich tief gehaltenen Ängste
durch schieres Zeitvergehen in Luft auflösen. Und im Moment
ihres Verschwindens beginnt man, die Plagegeister liebzugewinnen.
Sie haben ja zu einem gehört, wie das erkennende Nicken des Tankwarts,
der Nachrichtensprecher Werner Veigel, die Verachtung für einen
Verräter wie Phil Collins, der trotz härtester Selbstkritik nie ganz
neidfreie Blicke auf die Penislänge nahezu aller guten Freunde beim Saunen.
So wie man, ohne sich noch flügellahm ironisch zu räuspern, seinen
Frieden macht mit Bilanzen wie: PAUSENSTAND EINS ZU NULL. So wie man,
wenn man wirklich die Wahl hat, schlafen will. Einfach nur schlafen.
So ist das.

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