Cover des Buches "Deutsche Wertarbeit"

1984

Komm doch mal auf einen Tee vorbei

Alles was ich brauchte,
hatte ich mir tags zuvor besorgt.
Ich bin wahrhaftig kein Experte auf dem Gebiet,
aber der Verkäufer hatte mich derart freundlich und
ausführlich beraten, daß ich mir die Sache schon zutraute.
Als sie mir öffnete, bemerkte sie das Paket unter meinem Arm
gar nicht. Sie begrüßte mich, bat mich herein,
der Tee sei auch gleich fertig.
Daß ich geradewegs auf ihre Küche lossteuerte, ließ sie kurz stutzen,
dann aber redete sie gleich weiter. Ich nickte. Pausenlos.
Wie immer. Ich warf einen kurzen Blick in den Kühlschrank,
Leichtverderbliches war nicht drin. Ich stopfte die Ladung
ins Eisfach und begann, das Kabel abzuwickeln.
Sowohl die Tür des Eisfachs als auch die Kühlschranktür selbst
ließen sich problemlos schließen.
Während sie gerade die drei wichtigsten Fragen ihres Lebens stellte
und sich gleich darauf selbst beantwortete, ließ ich die
Kabelrolle surren und entfernte mich rückwärts, in
gebückter Haltung, ins Wohnzimmer. Pausenlos nickend. Wie immer.
Redend umkreiste sie mich.
Wir setzten uns. Sie im Schneidersitz,
ich breitbeinig, da ich den Auslöser zwischen meinen Knien
postiert hatte. Sie sagte, es gebe noch viel zu besprechen.
Ich verkabelte den Auslöser. Nickend.
Sie sagte, mit mir könne man wenigstens reden.
Ich faßte nach dem Griff. Nickend.
Als sie mir Tee einschenkte,
sprengte ich ihren Kühlschrank.

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