Ich habe sie

Ich habe sie.
Ich bin der erste in der Stadt, der sie hat.
Das habt ihr mir wohl nicht zugetraut,
ich habe sie, hier, wo sie angeblich nie
hinkommen könnte, hier, wo alle immer so
gelassen tun. Überlegt es euch zweimal,
bevor ihr irgendjemand grüßt, denn ich zum Beispiel
habe sie.
Grabt ruhig mein Leben um, hier kennt ja jeder jeden,
sucht Anhaltspunkte, ihr findet keine.
Tut mir leid, daß ich euch Umstände mache,
die ganz und gar die euren sind und keine anderen,
aber ich habe sie.
Ich glaubte es noch weniger als ihr.
Meine Fenster waren immer offen einsehbar,
keine besonderen Vorkommnisse, ich bin einer von euch
und ich habe sie, ich sehe euch an als Brüder und Schwestern,
und wenn ihr jetzt wegschaut, wo schaut ihr dann eigentlich
hin? Studiert ruhig die Zeitung, versucht euch zu schützen,
es gibt keinen Schutz vor sich selbst.
Der Präsident ruft allen Terroristen zu:
Ihr könnt weglaufen, aber ihr könnt euch nicht verstecken –
das klingt, als könne meine Krankheit sprechen.
Terroristen, die sich selbst als Geiseln nehmen,
das seid ihr, und ihr habt mich,
und ich habe sie.
Was nun?
Schafft ihr mich ins Ghetto oder aus der Welt?
Das habt ihr immer getan, ihr werdet's wieder versuchen,
aber diesmal wird es nichts nützen.
Es tut mir ja leid, und nicht nur für mich selbst.
Es ist schon wahr, wenn man sie hat,
rückt man den religiösen Fragen näher auf den Pelz.
Entweder ist Gottes Ratschluß wirklich verflucht unerforschlich
oder es gibt ihn verflucht noch mal wirklich nicht.
Ich habe sie und möchte sterben ohne Selbstmitleid.
Ich will nicht euer Mitleid,
ich will nur euer Mitleid mit euch selbst.
Ich habe sie, die Krankheit,
die Strafe ohne Schuld,
die so viel Schuld von euch erst nach sich zieht.
Hier stehe ich,
euer schwuler behinderter kommunistischer jüdischer
Neger aus der Nachbarschaft,
der jeden von euch angrinst, wenn ihr in den Spiegel schaut,
ich bitte einen Himmel, der leer ist oder böse,
für euch um Gnade,
ich bitte euch, daß mich
jemand umarmt.