Cover des Buches "Papierkrieg"

1986

Erwachsen geworden

Da hatte man gedacht, der Ekel ließe nach mit der Zeit:
vor Formularen, Ämterfluren, Deadlines, Headlines.
Er nimmt zu.
Das Telefonieren fällt von Tag zu Tag schwerer,
wie gerne würdest du schreiben, doch nicht auf Papier,
und mit deinem Schwanz.
An einem Nachmittag um halb vier,
als du ein ungezähltes Hotelzimmer betrittst,
bist du plötzlich erwachsen geworden:
Du wirst alles verstreichen lassen,
du warst bisher nichts als ein Plakat,
das für etwas äußerst Zweifelhaftes warb,
du wirst dich überkleben lassen,
nicht gedacht soll deiner werden.
Du sitzt auf der Bettkante, lächelnd.
Du bist der Geheimagent ohne Gedächtnis.
Von deinem nächsten Auftrag kehrst du nicht zurück.
Noch einmal stehst du in Gedanken im Türrahmen deines Chefs,
mit diesem unnachahmlichen Schwung von Kopf bis Fuß,
dem man mit der Zunge nachgehen möchte.
Und jetzt endlich:
Das donnernde Scheitern!
Eine dicke Sonne kugelt im Magen,
und die Augen sind so grau und klar
wie blitzender Asphalt nach einem Sommerregen.
Die Klappe ist gefallen, beide Zeigefinger waren dazwischen.
Du atmest auf.
Aus deinen Wimpern sind Farne geworden.
Aus allen Poren wächst Gras.
Engerlinge machen dich bewohnbar.
Du hast alles zu verlieren.
Es ist wundervoll.

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