Titelseite von "Mücken und Elefanten"

1992

Coole Zeiten

Weil wir denen da oben alles zutrauen,
trauen wir uns hier unten überhaupt nichts mehr zu.
Ich bleib cool und mach mein Ding.
Ich weiß genau, was mich nicht heiß macht.
Da muß die Apokalypse schon früher aufstehen.
Die Bombe lächelt, ich trinke mit ihr Capuccino.
Ich liebe meinen Job nicht, aber was liebt man schon.
Verraten und verkaufen, jeden Tag, jede Stunde,
vergiften und vergessen, jede eigene und vor allem
jede fremde Mutter.
Zwischen Kleinhirn und Großhirn sitzt die Rechtsabteilung,
die sucht rund um die Uhr nach Gewissenslücken.
Zugegeben, nachts ereignen sich Schreie:
Plötzlich klingt der Geschlechtsverkehr nach Geschlachteten,
und lange nach dem letzten Stöhnen
beißen noch Gewissensmücken.
Doch pünktlich am Morgen wuselt sie wieder,
die Armee der wendigen Wedernochs,
vor 15 Jahren stoned, heute stonewashed.
Rosige Zeichentrickschweine machen Reklame,
betteln darum, gefressen zu werden:
Doch wir hauen uns lieber selbst in die Pfanne.
Aus Blechtrommlern werden Standpauker,
kaum kriegt ein arbeitsloser Päderast eine Schwangerschaftsvertretung,
zeigt er auf Parties Polaroids von der Schrankwand herum.
Die Paranoiden da unten in Bonn,
in ihrem Katastrophenkessel aus Weindunst, Abgas,
Rheingift und Größenwahn,
spähen panisch ins Land hinaus,
als hätten sie alle schon den Einberufungsbefehl in die Hölle.
Sie trauen uns alles zu.
Sie irren sich.
Wie immer.

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