Titelseite von "Woran man mit mir war"

Woran man mit mir war

Interview mit Heinz Rudolf Kunze vom April 2006

Ein Dichter, fast ein Lehrer, ein Texter, ein Rocksänger, ein Popsänger, ein Übersetzer, ein Komponist, ein Arrangeur, ein Journalist, ein sachverständiges Mitglied der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages „Kultur in Deutschland“. Seine Texte erscheinen seit einigen Jahren im Christoph-Links-Verlag – zuletzt die Sammlung „Artgerechte Haltung“. Vor 25 Jahren, also 1981, erschien sein Debüt-Album Reine Nervensache. Seither und jetzt erst recht wünschen wir uns von ihm Gute Unterhaltung: Heinz Rudolf Kunze.

Herr Kunze, was ist für Sie gute Unterhaltung?

HRK: Auf jeden Fall eine, die nicht nur Erwartungen, die man schon hat, bestätigt und bekräftigt und vertieft – das gehört auch dazu. Man kann ja nicht immer nur verblüfft sein. Aber es wäre schon ganz schön, wenn man auf die Weise unterhalten wird, dass man sagt: „Oh, so kannte ich das noch nicht. So habe ich das noch nicht gesehen oder gehört.“ Zumindest ansatzweise sollte so etwas dabei sein.

Ist die Große Koalition in Berlin gute Unterhaltung?

HRK: Bisher ist sie ja kaum durch große Aktivitäten aufgefallen – außer durch das relativ gute Erscheinungsbild der Kanzlerin. Geschehen ist ja noch nicht viel. Herr Westerwelle sagte neulich – wie ich fand, nicht zu unrecht –: „Man spricht jetzt in Berlin von der zweiten Reformwelle – ich warte noch auf die erste.“

In Ihrem letzten Band Artgerechte Haltung sind sehr schöne Zitate vorweg gestellt, so eins von Alexander Kluge: „Es ist ja richtig, dass das Unterhaltungswesen die Eindringstelle der Dämonen ist. Man muss sie nicht fürchten.“

HRK: Das darf man nicht fürchten – jedenfalls nicht in meinem Beruf, wenn man sich darauf einlässt, in diesem letzten Endes doch unernsten Gewerbe tätig zu sein – wir gelten ja als U-Musiker. Da darf man keine Angst davor haben, dass die Leute gelegentlich auch mal lachen.

Das heißt, weder Sie sind zu fürchten – noch Dieter Bohlen oder Tokyo Hotel?

HRK: Das ist richtig. Wir haben alle unser Päckchen zu tragen.

Es gibt ja Menschen, die bei Dieter Bohlen den Stamm des Abendlandes schon gefällt sehen.

HRK: Ja, das ist schon so oft geschehen, und der Kollege Bohlen ist nicht der erste, der diese Vorwürfe auf sich zieht. So etwas hat es immer schon gegeben. Und so etwas wird es immer geben. Ich habe mich, als ich jünger war, über solche Erscheinungen auch aufgeregt, aber inzwischen lasse ich mehr gelten. Das ist wohl so eine Art von Altersmilde, die sich irgendwann breit macht.

Altersmilde, die ein Stückchen Verzweiflung beinhaltet?

HRK: Nein, verzweifelter war ich früher, als ich mit Anfang, Mitte Zwanzig genau glaubte zu wissen, was gut und böse ist, gut und richtig und schwarz und weiß. Je länger man lebt und je mehr Erfahrungen man macht, desto vorsichtiger wird man doch im Urteilen. – Das, was Bohlen macht, ist nicht meine Baustelle – aber so etwas gibt es halt, und so etwas muss es wohl auch geben.

Aber eins, worüber Sie sich nachhaltig aufregen – zumindest kommt das in sehr vielen Texten vor –, ist die Niveau-Frage. Also die Nivellierung des Niveaus, die Absenkung des Niveaus – das scheint Sie doch zu sorgen.

HRK: Das ist richtig. Ich glaube, es ist eine völlig falsch verstandene Kultur- und Bildungspolitik, wenn man den richtigen Ansatz, dass jeder die Chance haben soll, alles werden zu können, und dass jeder auch die Chance haben soll zu studieren, dahingehend missversteht, dass man die Standards so senkt, dass jeder Depp es dann packt.

Das ist doch ganz schön überspitzt, oder?

HRK: Nein, das ist die Wahrheit. Ich habe ja immerhin mal Lehrer gelernt, und ich weiß, was da draußen los ist.

Ein anderes Thema, das immer wieder durchkommt, ist die schlechte Laune, die in Deutschland gerne gepflegt wird. Schlechte Laune, die Sie sicherlich auch manchmal umtreibt, aber die Sie als Dauerzustand nicht gerne akzeptieren wollen.

HRK: Ja, das fällt umso mehr auf, wenn man sich mal für kurze Zeit in irgendein anderes Land dieser Erde begibt, dass, wenn man zurückkommt, man schon am Flughafen beim Grenzdurchgang oft von Beamten des Bundesgrenzschutzes mit einem Gesichtsausdruck empfangen wird, der eigentlich dazu führt, dass man auf dem Fuß gleich wieder kehrt macht. Das ist schon eine deutsche Eigenheit, sehr viel zu grübeln und sich sehr viele schwarze Wolken über den Kopf zu hängen, die vielleicht gar nicht nötig sind. Und wenn man in anderen Ländern sieht, was die für Probleme haben, dann ist da ja schon etwas dran mit dem Jammern auf hohem Niveau hier in diesem Land. Und der Optimismus und das Zupackende, was viele andere Nationen so als Nationalcharakter haben, ist schon etwas, wovon sich die Deutschen ein paar Scheiben abschneiden könnten.

Wobei Sie ja dieses Verzweifeln am eigenen Land auch immer wieder selber thematisieren. Es ist Ihnen ja nicht fremd.

HRK: Nein, natürlich nicht. Aber ich kann es ja zumindest abarbeiten. Wenn ich das in ein Lied gebannt habe, dann habe ich wieder für ein paar Wochen Ruhe.

Sie schreiben sehr, sehr viel, wenn man mal den Zwei-Jahres-Takt Ihrer Bücher beim Links-Verlag zur Kenntnis nimmt – dabei sind die Liedtexte seit dem jüngsten Band dort gar nicht mehr enthalten. Und das ist ja noch nicht alles. Was ist das für ein Fleiß? Was treibt Sie?

HRK: Das ist kein Fleiß – das ist einfach ein Spieltrieb. Mir fallen Sachen zu, ich kann gar nichts dagegen machen. Ich empfinde mich oft nur als eine Art Medium: Einfälle melden sich bei mir – und ich bin’s dann halt zufällig, der sie festhält. Weil ich das Training habe, weil ich das schon so viele Jahre mache und weil ich natürlich dafür auch mehr Zeit habe als andere Leute. Während die Leute einer sittsamen Arbeit nachgehen müssen, darf ich zu Hause sitzen und Soap Operas gucken oder Gerichts-Shows – und dazu fällt mir dann halt was ein, was ich aufschreiben muss. Ich tue es ja eigentlich nur stellvertretend für alle anderen. Ich schnappe ja nur das auf, was in der Luft liegt und was andere Leute auch festhalten könnten, wenn sie dafür das Training und die Zeit hätten. Das ist mein Privileg – und mein Fluch. Ich darf beziehungsweise muss das tun.

Sie setzen sich dem tatsächlich aus: Gerichts-Shows und Soaps?

HRK: Es sind unermessliche Jagdgründe.

Was ist letztendlich der Antrieb? Sendungsbewusstsein wird Ihnen ja manchmal unterstellt.

HRK: Ja, also ich bin jetzt hier in einer Sendung, und ich bin bei Bewusstsein. – Aber ich habe kein Sendungsbewusstsein. Ich habe einfach Lust, Leute zu verblüffen – und wenn man das schon als Kind erlebt hat, dass über die ersten selbst aufgeschriebenen Geschichten die Freunde von damals verdutzt waren, nachdem ich sie ihnen vorgelesen hatte, und die dann sagten: „Mach das noch mal!“, das ist ein Reiz, der dann aufkommt. Und den will man nie wieder verlieren, es immer wieder schaffen, die Leute für ein paar Minuten in einen etwas anderen Zustand zu versetzen – und sei es auch nur in den der Aufmerksamkeit.

Heinz Rudolf Kunze, an Ihrer Person kann man die deutsche Geschichte sehr anschaulich festmachen – ein sehr bewegtes Leben auch schon vor der Geburt: Gezeugt in Guben in der Niederlausitz Anfang 1956, und geboren dann am 30. November 1956 im Flüchtlingslager Espelkamp in Ostwestfalen. Das heißt, dieses Zeugungsdatum fällt ungefähr zusammen mit der Rückkehr Ihres Vaters aus russischer Kriegsgefangenschaft.

HRK: Ja, mein Vater kam noch nach der spektakulären Kriegsheimkehrer-Aktion von Konrad Adenauer im Jahr 1955 de facto mit dem allerletzten Zug, der jemals im Aufnahmelager Friedland angekommen ist. Und das waren dann für ihn elf Jahre Sibirien gewesen. Insofern ist unsere Familiengeschichte schon sehr durchtränkt von der deutschen Geschichte allgemein. Da es mich dann mit meinen Eltern als einzigen unserer gesamten Sippe nach Westen verschlagen hat und alle anderen Verwandten im Raum Guben – Eisenhüttenstadt – Ost-Berlin geblieben sind, hat die Familie Kunze also direkt hintereinander – jedenfalls mehrheitlich – zwei problematische politische Systeme erlebt. Und ich bin ja nur um ein Haar da heraus gekommen und woanders aufgewachsen.

Wie sehr hat Sie die Geschichte Ihres Vaters beschäftigt? Mitglied der Waffen-SS und trotzdem nett?

HRK: Das ist – kurz zusammengefasst – richtig. Es war so, dass er mich sehr frühzeitig einbezogen hat in sein Denken und in seine Überlegungen über das, was da passiert ist. Er hat mich als Gesprächspartner eigentlich von Kindesbeinen an sehr wahrgenommen und sehr ernst genommen. Einerseits für einen Sohn eine große Auszeichnung, dass der Vater sich da so öffnet, andererseits aber auch eine große Belastung. Ich weiß nicht, was ich mir hätte aussuchen wollen. Ich kenne viele andere Menschen seiner Generation, die nichts erzählt haben – und das ist auch nicht richtig. Ich denke, dass mein kleiner Bruder, der dann noch viele Jahre später nach mir kam, Geschichtsprofessor geworden ist und ich Künstler, dies hat viel damit zu tun, dass wir von der Geschichte unseres Vaters sehr geprägt sind und dass wir da Genaueres wissen wollten.

Ich meine, ein Satz in Ihrem neuen Buch – er stammt von Paul Valéry – kommt auch nicht von ungefähr: „Man kann unmöglich verstehen und zugleich strafen.“ Das würde in Bezug auf Ihren Vater auch ganz gut passen.

HRK: Und besonders in Bezug darauf, dass er nun wirklich extrem gebüßt hat dafür, dass er ein Frontsoldat mit dem falschen Abzeichen war und ein Held für die Falschen. Mein Vater war ein John Wayne für die Verkehrten – das ist ein Schicksal als Sohn.

Und die Konsequenz für den Sohn, genau hinzuschauen und nichts ganz einfach gelten zu lassen?

HRK: Ja, sicherlich. Und sehr misstrauisch zu sein gegenüber jeder politischen Vereinnahmung. Also man wird dadurch, glaube ich, entweder blinder Gefolgsmann und Nachtuer des Vaters oder doch ein sehr hartnäckiger Individualist.

Aufgewachsen zum größten Teil in Osnabrück, und ich behaupte jetzt mal, dass das Leben des Heinz Rudolf Kunze die Geschichte eines gesellschaftlichen Aufstiegs aus dem Kleinbürgertum ist: Durch Bildung, Musik und Sprache.

HRK: Ja, das war – soweit möglich – auch von meinen Eltern so angelegt. Beide kommen aus ganz kleinen Verhältnissen, und beide sind Lehrer geworden. Sie hatten immer – wie man so schön früher im Bürgertum sagte – einen Sinn für’s Höhere und haben mit den bescheidenen Mitteln, die da waren, selbstverständlich für Klavierunterricht und so etwas gesorgt. Das gehörte zur Erziehung dazu. Wenn ich Wünsche geäußert habe nach Büchern oder nach Schallplatten, wurde das auch im Rahmen des finanziell Möglichen erfüllt. Die riesige Tonträger-Sammlung, die ich habe, hätten allerdings meine Eltern allein nicht auf die Beine stellen können. Ich habe da Glück gehabt: Wir wohnten da in einer ziemlich engen Mietwohnung mit drei Generationen zusammen – meine Oma lebte noch bei uns –, und die hat einen großen Teil ihrer Rente für meine musikalische Fortbildung geopfert.

Waren Sie ein guter Schüler?

HRK: Ja, ich war ein guter Schüler. Nicht dass man mich dazu gepeitscht hätte – das war gar nicht notwendig. Es lag einfach bei uns als Vertriebenen, wenn man so will, immer so eine Atmosphäre in der Luft, die gar nicht formuliert werden musste: „Du musst schon selber sehen, wie du klar kommst, wenn du etwas werden willst!“ und „Du musst die Schule schon ernst nehmen – zu erben gibt es nichts!“ Man wurde für Leistung belohnt – und ich wurde, glaube ich, nie bestraft für die paar schlechten Leistungen, die ich hatte. Es musste also gar kein deutlicher Druck ausgeübt werden – den machte man sich schon selber.

Was waren Sie: Streber oder Klassensprecher?

HRK: Streber war ich niemals. Das brauchte ich nicht – ich konnte das einfach alles. Was sollte ich machen? Klassensprecher war ich in der Tat oft, weil die Klasse halt pragmatisch gedacht hat und gewusst hat: „Der kann mit den Lehrern am besten.“

Und Sie waren sehr ehrgeizig. Ich fand es sehr spannend zu lesen: „Teilnahme am Bundes-Endausscheid beim Vorlese-Wettbewerb“, das muss so 1969 gewesen sein.

HRK: Ja, ich bin niedersächsischer Vorlese-Meister gewesen als Schüler. Und dann durfte ich zum Bundes-Endausscheid und bin nicht Deutscher Meister geworden, weil Frau Hildegard Hamm-Brücher einen Bayern bevorzugt hat, der Dialekt gelesen hat – und das fand ich unfair.

Dass Sie das so nachhaltig grämt, ist sehr aussagekräftig.

HRK: Ich habe halt ein gutes Gedächtnis.

1970, mit 13 Jahren, kam dann das erste Rock-Konzert, das Sie mit Ihrem Vater besucht haben.

HRK: Ja, die Who in der Halle Münsterland im September 1970. Das ist ein bis heute brennender Stempel auf meiner Haut. Ich habe danach unzählige Konzerte erlebt und bin auch erwachsener geworden und kann auch im Laufe der Zeit Konzerte besser beurteilen, aber ein solches Erlebnis hat es nie wieder gegeben. Wer das noch weiß, wie die Who früher mal waren in Originalbesetzung, und sich daran erinnern kann, das war einfach ein Tsunami – das lässt sich nicht in Worte fassen. Man konnte es nur hassen oder lieben. Ich war überwältigt. Und mein Vater, der mit in die Halle musste, weil ich mit 13 gar nicht allein hineingelassen worden wäre, war zwar eine Woche lang taub hinterher, aber er war völlig begeistert. Er hat noch nie in seinem Leben ein solches Lebewesen gesehen wie Keith Moon, den Schlagzeuger, der dort eine „attack“ fabrizierte und einen Alarm über die Becken und Trommeln fegte, wie es auch nur wenige vergleichbare Kollegen jemals gab. Mein Vater jedenfalls war fassungslos und wunderte sich, dass so etwas überhaupt menschenmöglich sei. Als ich ihm dann acht Jahre später erzählt habe, dass Keith Moon gestorben ist, war er tatsächlich betrübt.

Was hat das Konzert in Ihnen bewegt?

HRK: Ich hatte ein Jahr zuvor begonnen, mir Schallplatten zuzulegen. Und die dritte LP war dann „Tommy“ von The Who. Und nachdem ich das Konzert gesehen hatte, sagte ich mir: „Das willst du auch machen, das ist dein Weg.“ Dass es dann dazu kam, hatte noch mit vielen Umwegen und vielen Phasen der Resignation zu tun, die dann passierten. Ich habe auch öfter mal den Mut verloren und gedacht: „Das klappt nie.“ Aber durch eine Fügung von wahnsinnigen Zufällen ist es dann ja doch noch – in einem kurzen Zeitfenster im Jahr 1980 – tatsächlich passiert. Planbar war das nicht.

Ja, 1980 wurde ein geistreicher Oberstudienrat mit Burn-Out-Syndrom erfolgreich verhindert. Heinz Rudolf Kunze hätte er geheißen. Er wurde verhindert durch das Deutsche Pop-Nachwuchs-Festival in Würzburg – also auch damals schon hat Deutschland den „Superstar“ gesucht? Oder reden wir da von einem anderen Niveau?

HRK: Es gab eine Jury, die im Gegensatz zu Herrn Bohlen ehrenamtlich da war. Und es gab den wesentlichen Unterschied, dort eigene Sachen vorzutragen. Was mich am „Superstar“-Phänomen am meisten stört, dass dort ja abgerichtete Interpreten gesucht werden, Leute, die als Marionetten laufen, die Aufgaben vorgesetzt bekommen, die sie erfüllen müssen. Und das damals in Würzburg war eine Sache der Phono-Akademie, einer sehr ernst zu nehmenden Akademie, die ihre Preise nach Leistungsprinzipien vergeben haben – nicht wie jetzt der „Echo“ nach Umsätzen und Verkaufszahlen. Also der „Echo“ heute ist ja ein „Eisernes Kreuz“ 1. Klasse für verdiente Frontkämpfer des Viel-Verkaufs.

Damals ging es um so etwas wie Qualität – das ist natürlich sehr subjektiv, da kann man anderer Meinung sein, völlig richtig. Aber das waren Menschen, die auf andere Dinge Wert gelegt haben, und man durfte dort machen, was man wollte. Man wurde mit eigenen Stücken zugelassen und stand im freien Wettstreit – also nicht irgendetwas von Donna Summer nachsingen – und jeder konnte sich austoben. Und das wurde dann ausgezeichnet – oder nicht. Und ich habe da einfach Glück gehabt.

Was hat Ihr Erfolg bei diesem Wettbewerb damals ausgelöst?

HRK: Na ja, es war eine extrem glückliche Situation, wie sie junge Kollegen, wenn sie anfangen wollen mit Musik, seither nie mehr vorgefunden haben in Deutschland. Es war der fiebrige Höhepunkt der „Neuen Deutschen Welle“ – Ideal und Nena und wie sie alle hießen, steuerten auf ihre ersten großen Erfolge zu –, und die Schallplatten-Industrie saß kompakt im Würzburger Stadttheater, in den ersten Reihen waren nur Plattenleute, die alles einkaufen wollten, was Deutsch sang und eine Gitarre überhaupt auch nur festhalten konnte. Die Tatsache war, dass ich dort fünf Plattenverträge bei großen Firmen angeboten bekam. Das war eine märchenhafte Situation, ein besonderer Moment der deutschen Rockgeschichte, der sich bestimmt nicht wiederholt, wo ich mir in Ruhe aussuchen konnte, zu wem ich gehen wollte. Und sich dann noch vorzustellen, dass jemand wie ich, der nichts vorher öffentlich gemacht hatte, als erstes mal einen Fünf-Jahres-Vertrag bekam, darf man jungen Kollegen heute gar nicht erzählen.

Wissen Sie noch, wie Sie das damals erlebt haben?

HRK: Ich hatte damals zum Glück einen Freund und Gitarristen zur Seite, der schon ein paar Jahre lang als Musiker lebte und zumindest mit diesen Leuten von Plattenfirmen und Musikverlagen schon ein bisschen reden konnte und wusste, wie man die anspricht. Ich war ja der reine Tor aus der Provinz, ich hatte solche Leute ja nie getroffen. Und als wir das Stadttheater verließen und in einen Bierkeller gingen, stand ein blonder, sehr selbstbewusst aussehender Herr mit einem breiten Grinsen vor mir, stellte sich mir in den Weg und sagte: „Herr Kunze? Siggi Loch, guten Tag!“ Und ich sagte: „Kunze. Angenehm!“ und ging weiter. Siggi Loch gehörte zu den wichtigsten Leuten der Alten Schule, die Rockmusik in Deutschland durchgesetzt haben. Mein Freund Mick Francke sagte dann zu mir im Vorbeigehen: „Bist du wahnsinnig geworden? Vor dem fällt man auf die Knie!“ Dass ich das nicht getan habe, hat ihn wahrscheinlich so irritiert und gewurmt, dass er mir einen Fünf-Jahres-Vertrag gegeben hat.

Es hat ja dann in der Tat noch einige Jahre gedauert, bis der ganz große Erfolg gekommen ist.

HRK: Wir haben bis zum so genannten ersten großen Hit diese fünf Jahre tatsächlich auch gebraucht. Das klappte dann im letzten Vertragsjahr. Davor hatten wir schon vier Alben und ein Live-Album gemacht. Da unsere Produktionskosten nicht besonders hoch waren und wir immer so etwa jeweils 30.000 bis 40.000 Platten verkauft haben, haben die mit mir nie Geld verloren. Wir waren immer irgendwie quitt. Nur so richtig Gewinn machen konnten sie bis zum fünften Album nicht, das stimmt.

Und der Medienrummel bei Dein ist mein ganzes Herz, war Ihnen das dann schon vertraut? Konnten Sie das gut verarbeiten?

HRK: Ja, da ich ja die Chance hatte, mich langsam durch öffentliches Lernen in diesen Beruf hinein zu graben, war das dann verkraftbar. Also, ich weiß nicht, wie junge Leute, die jetzt irgendwie am Reißbrett erfunden werden und gleich mit ihrer ersten Platte ganz viel verkaufen, das so aushalten können. Eigentlich ist es doch heilsam, wenn so etwas sanft in diesen Beruf hinein gleitet und sich ein bisschen darauf einstellen kann, was dann passiert. Ich denke, ich habe es verkraftet, und habe inzwischen – wie es sich für eine 25-jährige Laufbahn gehört – auch einige Achterbahn-Fahrten mitgemacht, das ist klar. Es geht mal rauf, dann mal wieder runter. Man kann nicht erwarten, dass man 25 Jahre Musik machen darf und es geht immer weiter stetig linear nach oben. Das ist unmöglich, das hat niemand erlebt, und damit muss man leben. Es gibt sehr viele andere Leute, die nachwachsen und auch Musik machen. Wenn ich überlege, habe ich vielleicht von Miles Davis, Bob Dylan und Neil Young jeweils 25 Alben im Schrank – und dann wird es dünn.

Neil Young durften Sie ja treffen und interviewen. Zu Ihren musikalischen Vorbildern gehört ja weiterhin Pete Townsend von The Who.

HRK: Das ist eine lange Reihe, die man da nennen muss. Wenn man nur ein, zwei Namen nennt, dann kommt das beim Publikum oft falsch rüber. Die Frage nach meinen musikalischen Vorbildern ist ähnlich schwierig zu beantworten, wie wenn Sie Marcel Reich-Ranicki fragen: „Was ist Ihr Lieblingsbuch?“ Da gibt es viele zu nennen, und Neil Young gehört da ganz weit vorne mit dazu. Und die paar Male, wo ich hobbyjournalistisch tätig war und Leute wie Young und Townsend kennen lernen durfte, sind schon besondere Momente in meinem Leben gewesen. Denn man macht doch immer wieder die Feststellung: Je wirklich größer und je wirklich berühmter ein internationaler Kollege ist, desto freundlicher ist er auch. Also zickig, maniriert, empfindlich, mürrisch sind eigentlich nur Leute, die es nötig haben.

Um nochmal ins Detail zu gehen: Wie haben Sie sich beim Neil-Young-Interview gefühlt?

HRK: Ängstlich habe ich mich gefühlt – vor Ehrfurcht. Und da ich zuvor gelesen hatte, das ihm der Ruf vorauseilt, sehr unwirsch mit Journalisten zu sein, so dass viele von denen dann heulend und zähneklappernd heraus gekommen sind. Nachdem die ersten zehn Minuten gut verlaufen waren, habe ich gefragt, wie er zu diesem Ruf gekommen ist. Allerdings war es auch so, dass Neil über mich Bescheid wusste, da die Leute unserer gemeinsamen Plattenfirmen ihn gut informiert hatten – das macht natürlich das Gespräch etwas einfacher. Da lachte er nur und sagte: „Das kennst du doch auch. Wenn dir jemand zehn dämliche Fragen hintereinander stellt, wirst du auch irgendwann nervös. Aber wenn die Fragen in Ordnung sind, macht man seine Arbeit und gibt so gut man kann Antwort.“ Das tat er auch. Und dann gab es das folgende wunderbare Kompliment: Ich hatte für das Interview von seiner Presse-Dame genau 45 Minuten zugeteilt bekommen, die kam dann rein, zeigte auf die Uhr – und Neil knirschte sie an: „Hang on, we need another 15 minutes!“

Ist es eine Konsequenz Ihres Glücks als Musiker, dass Sie anderen, die bislang nicht so glücklich sind, auch gerne helfen, in das Geschäft reinzukommen?

HRK: Nicht als Prinzip, nicht als Samariter-Dauerreflex. Aber wenn mich ein Thema musikalisch interessiert und wenn das auch von den entsprechenden Leuten gewollt wird – so ein paar Begegnungen gab es natürlich in der langen Zeit, wo mich und meinen langjährigen Partner Heiner Lürig jemand interessiert hat –, dann haben wir schon mit unserem eigenen Studio die Möglichkeit, die zu uns einzuladen und mal Aufnahmen mit denen zu machen, ohne dass eine Parkuhr tickt. Da wir die Geräte alle haben und unsere Platten bei uns selbst aufnehmen und zum größten Teil auch mischen, können Leute, die uns einleuchten, bei uns auch schon mal was machen.

Die Gruppe Pur haben Sie mit entdeckt, habe ich gelesen.

HRK: Ja, ich habe die erlebt, als die noch sehr unbekannt waren, auf einem Pop-Nachwuchs-Festival in Osnabrück, wo ich Jury-Vorsitzender war. Pur war einfach mit weitem Abstand diejenige Truppe, die da aufgetreten ist, die am deutlichsten, am konturiertesten etwas wollte. Da war es mir eigentlich sekundär, was sie wollte – aber das war so entschlossen vorgetragen und mit Sich-hundertprozentig-Hineinwerfen in das eigene Projekt dargeboten, dass ich eben dann dafür gesorgt habe, dass sie den ersten Preis bekamen. Und dann sagten die Schwaben: „Desch vergessn mir dir nie!“ Haben sie auch nicht, und es ist daraus eine sehr schöne Freundschaft entstanden. Ich bin nicht Fanatiker und Prediger von jedem Pur-Song, also es gibt auch da Sachen, die mir besser und weniger gut gefallen, aber eines muss man festhalten: Das sind ausgesprochen liebe Freunde, und zwar die ganze Band und das Management. Wir sind mit denen eine richtig verschworene Clique.

Herr Kunze, mit Blick auf Ihr Lied Demokratisch: Sie machen offenbar sehr gerne Dinge, die politisch inkorrekt sind.

HRK: Ja, das gebe ich ohne Zerknirschung zu. Der Polit-Sprech ist manchmal schon schwer zu ertragen. Die Art und Weise, wie unsere Politiker – egal welcher Partei sie angehören – sich in gemeinsamer Wahrheitsvermeidung gegenüber dem eigenen Volk auszeichnen, ist schon erstaunlich. Da werden immer neue Rekorde aufgestellt.

Sie haben das Glück, einige Politiker persönlich sehr gut zu kennen, zum Beispiel den niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff. Fragen Sie den manchmal, warum der das macht und warum das die Kollegen von ihm machen? Er könnte ja sicher eine Antwort geben.

HRK: Ja, das habe ich ihn und viele seiner Kollegen schon vor Jahren gefragt. Ich weiß ja, wie schwer er es hat, und ich möchte auch nicht mit ihm tauschen. Er sieht das genauso, kann aber auch nicht so, wie er will. Er muss versuchen, noch möglichst viel von dem über die Lippen zu kriegen und in die Tat umzusetzen, was ihm wichtig ist. Ich denke, da macht er eigentlich eine ganz gute Figur. Der Mann ist respektabel und hat auch parteiübergreifend viele kommunikative Fähigkeiten.

Texte wie Demokratisch könnten dazu führen – wie früher ja auch geschehen –, dass jemand schreibt: „Heinz Rudolf Kunze ist der Oberlehrer des deutschen Musikgeschäfts, der Intellektuelle der deutschen Pop-Szene, der Kronzeuge gegen Deutschland“. Was fangen Sie mit solchen Etiketten an?

HRK: Ich muss damit leben, ich muss sie zur Kenntnis nehmen. Es ist wahrscheinlich die Aufgabe der Journalisten, für die, die etwas machen, Etiketten zu finden. Ich muss meine Arbeit machen und dann mehr oder minder gut damit leben, was die Leute mir anhängen. „Oberlehrer“ wurde irgendwann mal erfreulicherweise abgelöst von „Pop-Vordenker“ oder „Pop-Philosoph“ – ich wurde also befördert. Das war angenehmer, vor allem weil das mit dem „Oberlehrer“ ja Quatsch ist. Auch dieses Lied bringt ja keinem etwas bei, es erzählt nur Beobachtungen von mir und Dinge, die mir wichtig sind, die mir auffallen, die mich stören, die ich Leuten gern als Idee vorstellen möchte. Wenn ich mich manchmal doch noch aufrege, sage ich, dass ich von all denen, die in diesem Land deutschsprachige Musik machen, einer bin, der den Leuten am wenigsten predigen und am wenigsten beibringen will. Ich konfrontiere die Hörer mit meinen Einfällen und lasse sie meistens damit auch im Regen stehen. Also es gibt keine Schlusszeile, die das irgendwie wertet.

Stimmt. Sie schimpfen und sagen nicht, wie man da wieder raus kommt.

HRK: Ja gut. Aber ich behaupte auch nicht, klüger zu sein als die Leute. Ich bin nur derjenige, der es formuliert und ihnen anbietet – und hoffe vielleicht insgeheim, dass jemand mit dem, was ich da anbiete und ihm auf dem Tablett präsentiere, einen Schritt weiter kommt als ich. Das wäre doch ganz schön.

Das heißt, Gegenwarts- oder Lebensgefühl-Veränderung wäre so etwas wie ein vornehmes Ziel, aber keinesfalls vordergründig beabsichtigt?

HRK: Wenn ich das wirklich wollte, dann würde ich doch nicht Musik machen, sondern eine Partei gründen oder eine Sekte. Alle Kollegen auf der Welt – egal aus welchem Land sie kommen –, die Sie wirklich ernst nehmen können als Musiker und Künstler, predigen nicht rum, sondern erzählen. Und hoffen, dass diese Erzählungen bei den Leuten etwas in Gang setzen, was sie weiter bringt und sie damit vielleicht weiter sind als die Künstler selbst. Alles andere ist doch peinlich oder erschöpfend – oder die Verlängerung des Tagebuchs mit öffentlichen Mitteln.

Sie erzählen sehr viel, Herr Kunze. Und Sie schreiben sehr viel, auch für Kollegen. Also Texte etwa für Herman van Veen oder Mario Adorf. Was ist das für eine andere Rolle?

HRK: Es ist wirklich eine andere Rolle. Den Herman kenne ich sehr gut, den Mario nur ein bisschen. Die bekommen keineswegs von mir Ungenutztes, zu dem ich nicht gekommen bin. Die kriegen keine Kunze-Abfall-Produkte, sondern ich schreibe wirklich mit dem Versuch, mich in diese Leute hineinzudenken. Da ich für Herman nun schon seit fast zwanzig Jahren arbeiten darf, habe ich, glaube ich, einen Tonfall gefunden, der gut zu ihm passt und zu seinem Deutsch mit holländischem Akzent. Das ist dann schon exklusiv für ihn gemacht. Bei Herrn Adorf hatte ich nur einmal die Gelegenheit, aber es war trotzdem eine sehr erfreuliche, schöne Zusammenarbeit. Es ist schon reizvoll, gelegentlich aus der eigenen Haut auszusteigen und zu versuchen, in den Kopf eines geschätzten Kollegen einzusteigen und sich vorzustellen, wie der damit umgeht.

Eine vielleicht noch dienendere Tätigkeit ist die eines Musical-Librettisten, was Sie ja oft und wohl auch gern gemacht haben.

HRK: Schon gern. Ich habe mich ja nicht leichten Herzens entschieden, in der eigenen Laufbahn nichts mit der englischen Sprache anzufangen. Ich habe mich einfach konsequent für die deutsche Sprache entschieden, weil ich das einfach besser kann. Ich kann zwar gut Englisch – ich arbeite ja als Übersetzer –, aber ich habe mir nie zugetraut, so gut Englisch zu können und so tief in den Idiom drin zu sein, dass ich nicht irgendwann hätte befürchten müssen, ein „native speaker“ entdeckt da doch die eine oder andere hölzerne Langenscheidtsche Ungereimtheit.

Ihre Übersetzung von Lola von den Kinks wurde ja auch prompt mit einem Hit belohnt.

HRK: Aber andersherum ist es eben schwieriger. Ich habe einfach schon erlebt – und ich werde jetzt den Teufel tun und Namen nennen –, dass viele Kollegen in Deutschland, die glauben, sie könnten Englisch, englische Platten herausgebracht haben – und englische Ton-Ingenieure dann diese Platten gehört haben und sich am Zwerchfell operieren lassen mussten. Das möchte ich mir ersparen.

Zu Ihrer Musical-Arbeit: 1988 haben Sie Les Miserables ins Deutsche übersetzt.

HRK: Ja, das ist eine sehr dienende Tätigkeit, weil die Engländer, die ja meistens diese Stücke produzieren, aufgrund der Welt-Dominanz ihrer Produktionen ungeheuer misstrauisch sind gegen jede Art von Übersetzung. Man hat es dann mit einem Supervisor zu tun, der einem ständig zur Seite gestellt ist und der wirklich – und ich übertreibe nicht – jede Silbe erklärt haben will. Und der einem immer wieder die mit Verlaub etwas tumbe Frage stellt, warum man nicht eins zu eins übersetzen kann. Das leuchtet diesen Menschen einfach nicht ein, und man braucht Wochen und Monate, um ihm klarzumachen, dass keine zwei Sprachen auf der Welt gleich funktionieren. Und wenn ich den Effekt erzeugen will, den Herr Webber sich an der Stelle xy vorgestellt hat, dann muss ich das mit anderen Mitteln tun, damit die Leute da genauso lachen oder das Taschentuch zücken. Wenn man es dann jedoch geschafft hat, dass die einem das abnehmen, dann hat man auch Freiräume: Sie gucken nicht mehr so genau hin und sagen: „Okay, der kriegt das schon richtig hin.“

Wie lange hat die Arbeit an Les Miserables gedauert?

HRK: Das war mein erstes und noch dazu sehr ausführliches Musical, wo wie bei einer Oper konsequent durchgesungen wird. Da gibt es ja – im Gegensatz zu vielen anderen Musicals – gar keine gesprochenen Passagen. Es ist also ein sehr umfänglicher Text. Das hat, weil ich mich ja in dieses Metier rein arbeiten musste, anderthalb Jahre gedauert – ich habe damals auch meine eigene Platte Einer für alle ein wenig vernachlässigt. Die anderen Dinge, die danach kamen, gingen etwas schneller.

Bis hin schließlich zum eigenen Musical Sommernachtstraum nach Shakespeare.

HRK: Ich würde mal sagen, es ist halb eigen. Die Hälfte ist der Versuch – wenn auch flapsig und modern –, das zu übersetzen. Und dann gibt es Passagen, die sich relativ weit vom Wortlaut entfernen und nur noch die Intention nacherzählen. Da hatte ich einfach einen schönen Auftrag von der Landesbühne Hannover für die Herrenhäuser Gärten, das Open-Air-Theater in Hannover, das jeden Sommer eine Festival-Saison spielt. Es begann eigentlich auch als klarer Übersetzungs-Auftrag und wurde dann in der Zusammenarbeit mit dem Intendanten Gerhard Weber immer freier. Heiner Lürig hat die Musik dazu gemacht, und wir haben unsere Songs dann eingebaut. Es ist schon eine sehr augenzwinkernde Geschichte für die ganze Familie geworden und läuft inzwischen im vierten Jahr weiterhin sehr erfolgreich. Das ist sehr schön, weil es ja in Hannover ist, also in der Stadt, wo ich seit langer Zeit lebe. Und da, wo man lebt, blamiert man sich natürlich besonders ungern, weil man sich ansonsten nicht mehr zum Bäcker traut.

Da schreibt man sogar etwas für den Kirchentag, wenn der vor der Haustür stattfindet.

HRK: Das war Zufall – das hätte ich auch für einen Kirchentag in einer anderen Stadt getan, wenn ich so nett angesprochen werde wie in dem Fall. Die Leute von der evangelischen Kirche haben mir da völlig freie Hand gelassen, es gab keinerlei textliche Auflagen. Als ich das abgegeben habe, sagten die, das sei so okay. Der Text ist in einem sehr weiten Sinne eine Aufforderung, sich doch mal mit religiösen Fragen – oder seien es auch nur metaphysische Fragen – irgendwie zu beschäftigen. Es ist keine evangelische Propaganda. Und es gab tatsächlich einige wenige Hardliner in der evangelischen Kirche, denen es zu wenig konsequent evangelisch war. Aber die haben nur mal kurz gemault – und dann war es gut.

Sie gehen ja neben Ihrer musikalischen Arbeit auch noch auf Lese-Tour. Sind Sie ein Workaholic und/oder publikumssüchtig?

HRK: Workaholic? Ich empfinde mich eher als faul. Dass mir vieles einfällt und ich das machen muss, das ist eben so. Ich hab ja auch viel Zeit – ich muss ja auch viele andere unangenehme Dinge nicht machen. Ich kann viel delegieren. Ich habe ein sehr gutes Team, das mir sehr viel Prosaisches im Leben abnimmt, und darf die meiste Zeit des Tages in meiner schönen Seifenblase vor mich hin spinnen. Da habe ich schon die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, dass dabei auch etwas herauskommt.

… das Sie dann einem Publikum zum Besten geben?

HRK: Sie haben schon Recht. Man wird irgendwann ein bisschen nervös, wenn man den Kontakt zum Publikum zu lange entbehrt. Also diese großen Pausen, die manche Kollegen machen, die sich drei, vier Jahre zurückziehen und dann wiederkommen, das würde ich schwer aushalten. Ich brauche einen recht regelmäßigen Draht im Umgang mit Leuten, ich brauche da eine gewisse Kontinuität.

Sie haben ja alles schon kennen gelernt: kleine, schlecht besuchte Club-Auftritte und riesengroße Menschenmengen, die Sie begeistert haben – was ist da der Qualitäts-Unterschied?

HRK: Wenn man den Beruf ernst nimmt: gar keiner. Wenn man diesen Beruf so missversteht, dass man sich vor dem Publikum in einem kleinen, schlecht besuchten Club weniger Mühe gibt als vor vielen Leuten, dann ist man in diesem Beruf falsch. Denn diese paar Leute, die in den Club kommen, dafür zu bestrafen, dass nicht mehr gekommen sind, ist ja wohl das Verkehrteste, was man machen kann. Und außerdem sind dann die paar Leute, die gekommen sind, so nah dran, dass sie einem genau auf die Finger sehen können und jeden Fehler mitbekommen. Bei großen Arenas versendet sich schon mal vieles, und alles, was man da tut, muss etwas comichaft vergröbert und vergrößert sein, damit es überhaupt rüberkommt. Wenn man vor vielen Menschen steht, hat das schon einen gewissen Kick, klar. Das ist stimulierend – aber ein intimes Konzert vor wenigen Leuten kann auch sehr viel Spaß machen.

Und der Vorleser Kunze – wie lange haben Sie da gebraucht, um da heranzukommen?

HRK: Wenn man das zu einer eigenen Form macht und nur mit einem Buch bewaffnet durch die Lande zieht, muss man das natürlich auch erstmal ein bisschen üben und lernen. Aber da hilft mir schon ein wenig die Praxis, die ich mit der Band beim Vorsingen vor Leuten habe. Ich bin es ja gewöhnt, meine Sachen vor Menschen darzustellen und darzubieten – im Gegensatz zu vielen anderen introvertierten Künstlern und Schriftstellern. Für die sind Lesungen dann Torturen, weil sie nur ihren Schreibtisch und ihr Arbeitszimmer kennen. Es gibt ja bei großen Autoren sehr große Qualitätsunterschiede, was die Darbietung angeht. Martin Walser liest hinreißend; andere Schriftsteller, die ich nicht minder schätze, stammeln sich da etwas zu recht und können überhaupt nicht gut vorlesen – was ja der Qualität ihrer Schriften keinen Abbruch tut. Es ist nicht jedem gegeben, das auch öffentlich zu vertreten.

Tobias Künzel von den „Prinzen“ ist zu uns an den Tisch gekommen. Herr Künzel, was verbindet Sie miteinander? Woher kennen Sie sich?

Tobias Künzel (TK): Ich beobachte Heinz natürlich schon länger als er mich. Ich kenne noch aus den 1980er Jahren jenes berühmte Plakat, was auch bei der Fernseh-Übertragung seines Konzertes auf der Festwiese in Leipzig zu sehen war. Darauf stand: „Heinz, noch eins!“ Das hat mich sehr beeindruckt damals. Und irgendwann hat Heinz mal für uns „Prinzen“ eine Laudatio gehalten, das war wohl bei einer „Echo“-Verleihung. Da waren wir erst sehr aufgeregt, da wir nicht wussten, was dieser große Poet von den „Prinzen“ hält, und dann sehr beruhigt, weil er sehr positiv von uns sprach. – Ich finde, bei Heinz kommen gutes Handwerk und Talent zusammen. Ich kenne viele, die haben nur Talent und ruhen sich darauf aus. Und dann gibt es gute Handwerker, aber da kommt wenig rüber. Bei Heinz kommt beides und noch mehr zusammen – und das beeindruckt mich schon.

Das Kunze-Konzert 1987 hier in Leipzig haben Sie nicht gesehen?

TK: Nein, da war ich selber mit meiner Band unterwegs.

Wie war es zu diesem Konzert damals gekommen, Herr Kunze?

HRK: Der Zusammenschluss „Künstler in Aktion“ in der Bundesrepublik suchte damals Kontakt in die DDR zur FDJ und zur SED. Im Herbst 1986 kam es dann zu einem Treffen in Weimar, und man streckte beidseits die Fühler aus, was da so gehen könnte. Der einstige FDJ-Chef Hartmut König, der – wenn ich mich recht erinnere – damals schon stellvertretender Kultusminister der DDR war, versprach mir dort, dass ich 1987 in der DDR würde auftreten dürfen. Er konnte sein Wort auch halten, obwohl es ja die Konflikte gab mit der BAP-Zensur 1984 und mit anderen westdeutschen Kollegen. Mich haben sie dann tatsächlich rein gelassen, und ich durfte von 1987 bis 1989, also vor der Friedlichen Revolution, hier schon touren. Es waren unfassliche Erlebnisse für mich, denn unter dieser Gier nach allem Westlichen, die hier seitens des Publikums herrschte, sind da Menschenmassen hingeströmt – das war unvorstellbar. Wir haben im Westen in unseren hohen Zeiten vor 5.000 bis 6.000 Leuten gespielt – und hier im Osten kamen bei jedem Konzert als Minimum 30.000 Menschen! Es waren auch mal 50.000 und mal 100.000 – man fühlte sich schon ein bisschen wie der Papst.

Könnte eine gemeinsame musikalische Begeisterung die Gruppe Renft gewesen sein?

TK: Ich kenne Renft hauptsächlich durch meinen zwölf Jahre älteren Bruder. Das waren damals die großen Helden, und „Wer die Rose ehrt“ ist die absolute gesamtdeutsche Hymne für mich. Aber Heinz und ich haben beide eine große Begeisterung für The Who. Ich bin Heinz das erste Mal begegnet 1991 bei einem Konzert in Hannover von Emerson, Lake and Palmer. Er stand ebenso wie ich im Publikum – ich habe mir aber nicht getraut, ihn anzusprechen.

Ist Udo Lindenberg für Sie beide ein verbindendes Glied?

TK: Ich muss sagen, für mich gibt es zwei große deutsche Rock-Poeten: Das sind Udo Lindenberg und Heinz Rudolf Kunze. Die anderen kann ich für mich persönlich vernachlässigen. Das hat auch nichts mit Qualität zu tun – das ist mein Geschmack. Ich habe gelernt, dass man immer sagen darf: „Das gefällt mir nicht“, aber dass man von seinen eigenen Sachen nie hören darf: „Das ist schlecht“. Dafür ist ja auch Heinz‘ Musik ein gutes Beispiel.

HRK: Es gibt da wirklich Gemeinsamkeiten, denn Udo hat sich ja stark gemacht für die „Prinzen“, sie promotet, sie unterstützt und sich auf vielfältige Weise auf sie eingelassen. Das Ähnliche kann ich auch sagen: Ich habe Udo bereits 1981 kennen gelernt bei meiner ersten Platte. Die haben wir damals bei Otto Waalkes im Rüssl-Studio, wie die damals hießen, in Hamburg aufgenommen. Otto und Udo sind ja auch seit ewigen Zeiten enge Bekannte und Freunde. Und irgendwann ging die Studiotür auf, Udo kam rein, legte sich auf ein Sofa und hörte zu. Das fand ich als Nobody natürlich sehr beeindruckend. Seitdem kennen wir uns auch ganz gut. Wenn man ihn mal unter vier Augen erwischt ohne seinen Kometenschweif von Gefolge, dann ist er auch ein etwas anderer Mensch. Er kann dann auch sehr ernst sein und sehr nachdenklich. Sobald aber ein drittes Augenpaar den Raum betritt, flüchtet er sich wieder hinter die hohe Mauer seiner Kalauer.

TK: Er ist sehr zerbrechlich, das stimmt.

Herr Kunze, wenn Sie von Pur erzählen und von Leuten, die zu ihrem Wort stehen, dann höre ich da auch ein kleines bisschen raus, dass Freundschaften im Musikgeschäft nicht selbstverständlich sind, dass Missgunst und Neid eine sehr große Rolle spielen. Ist man sich freundschaftlich besonders dann gewogen, wenn man sich in der Hitparade nicht ins Gehege kommt?

HRK: Natürlich macht es – wie im Fall von Herman van Veen und mir – die Sache einfacher, wenn man doch etwas verschiedene Baustellen bedient. Da kommt, finde ich, die Gefahr von Rivalität gar nicht auf. Aber es gibt durchaus auch Kollegen, mit denen man gut zu recht kommt, obwohl sie auch im Deutsch-Rock tätig sind. Nein, das hängt nicht von beruflichen Ellbogen ab, sondern ganz einfach von Animositäten oder gleichen Wellenlängen, die es bei uns wie in jedem Beruf gibt.

TK: Wir haben uns halt immer sehr gut verstanden.

Kurze Frage zu deutschsprachigen Produktionen in der Rock- und Pop-Musik: Hat sich das Thema erledigt angesichts der vielen neuen, erfolgreichen Bands, die in Deutsch singen?

TK: Das hat sich nie erledigt. Als wir als „Prinzen“ angefangen haben, wurden wir gefragt, ob das jetzt die neue „Neue deutsche Welle“ sei. Das verfolgt uns jetzt seit 15 Jahren. Ich glaube, es gab immer gute und weniger gute deutschsprachige Musik. Es wird nur immer so von den Medien hochgekocht: „Oh, Rockmusik und Deutsch – geht denn das?“ Es ist eigentlich kein Thema, weil es das immer gab und immer geben wird.

HRK: Ich hoffe auch, dass sich das als Frage bald mal erledigt. Daher wünsche ich – gerade aus diesem Blickwinkel – den jungen Spunden, die jetzt gerade Erfolg haben, wirklich langen Atem und viel Durchhalte-Vermögen. Damit man irgendwann über die Frage „Warum singen Sie Deutsch?“ gar nicht mehr nachdenken muss, dass es einfach passiert und gleichberechtigt neben englischsprachiger Musik oder meinetwegen auch noch einer dritten Sprache steht und dass dieses krampfige Besonders-Tun, wenn man in seiner eigenen Sprache singt, endlich aufhört.

TK: Heinz ist auch ein Vorreiter von einem gewissen Respekt, der lange Zeit – auch untereinander – nicht vorhanden war, gerade in Deutschland. Ich finde es sehr beruhigend und sehr gut, auch wenn jetzt zwar immer irgendwelche Witzchen über Tokio Hotel gemacht werden, dass prinzipiell ein gewisser Grund-Respekt vor diesen 16-Jährigen da ist, die sich hinstellen und live spielen und ihre Musik machen. Und dass auch ein gewisser Grund-Respekt vor Dieter Bohlen da ist. Dass der seines Zeichens auch gute Unterhaltung macht – ob einem das gefällt oder nicht, ist eine andere Sache. Dass man sagt: „Okay, den gibt es, und vielen Leuten gefällt, was der macht – und davor habe ich Respekt.“ Ich bin auch der Meinung, dass das, was wir machen, schon eine Arbeit und ein Handwerk ist. Wenn es keine Arbeit wäre, dürfte man sich dafür nicht bezahlen lassen. Und ich arbeite sehr gern und sehr viel – und manchmal klappt es, und die Leute nehmen Anteil daran, und manchmal geht es auch völlig schief, und keiner kriegt es mit. Aber ich mach das gerne, und mir macht das Spaß. Ich produziere auch viele junge Bands – und wenn ich Glück hab, kommt da mal ein großer Hit raus.

Man weiß ja um die Schubladen, Herr Kunze, in denen man steckt. Ist das nicht ein Risiko: „Wenn ich eine erfolgreiche Schublade verlasse, dann finden mich die Leute nicht wieder“?

HRK: Das ist schlimm, dass es diese Schubladen geben muss – aber offenbar ist es unentrinnbar. Es ist so. Deswegen habe ich seit 1981 immer versucht, mich in mehreren Schubladen gleichzeitig aufzuhalten. Dass es etwas länger dauerte, bis das mit den Büchern und den Lesungen in gewisser Weise wahrgenommen wurde, war halt so. Aber ich denke, das Leben als Künstler ist erträglicher, wenn man nicht nur in einer Schublade einen ganz bestimmten Staub ansetzt, sondern wenn einem die Motten durch mehrere Schubladen folgen.

Resignation – ist das ein Thema für Sie, Herr Kunze? Oder das Denken – man geht ja stramm auf die 50 zu –: „Will ich wirklich so enden wie die Rolling Stones?“

HRK: Ja! Ich wüsste wenig, was dagegen spräche. Aber mit der Resignation verbunden – es schwingt ja zwischen vielen meiner Zeilen durch – ist auch das Mit-Schmunzeln, man kann mit Resignation auch ein bisschen kokettieren und seinen Spaß damit haben. Es ist ja nicht so, dass diese Texte alle vor Weinerlichkeit und Selbstmitleid zerfließen, sondern ich glaube, sie erzeugen bei einem großen Teil des hörenden Publikums als auch beim Schreiber selbst noch ein gewisses Schmunzeln. Ich denke, das ist auch die würdigste Art und Weise, wie man sich mit dem Zerfall des Selbst auseinandersetzen sollte: indem man ihm zumindest noch ein Grinsen abringt.

Aber man hadert damit doch ein wenig?

HRK: Ja, natürlich. Ich habe auch nach wie vor mit der Sterblichkeit meine Probleme, weil ich mich für ziemlich unentbehrlich halte.

TK: Das ist übrigens auch ein großes Phänomen des Heinz Rudolf Kunze, was mich immer wieder begeistert: Normalerweise sind ja solche intellektuellen Denker so in sich gekehrt und führen mal ein Gespräch unter vier Augen, und dann es auch wieder gut. Doch Heinz ist ein absolutes Alpha-Tier, wie wir gerade gehört haben. Und außerdem ein sehr guter Sänger, und das ist eine sehr glückliche Zusammenkunft von Eigenschaften, die man selten findet. Da ist das mit der Unentbehrlichkeit gar nicht so weit her geholt.

Und so jemand wollte mal Lehrer werden!

HRK: Nein, Moment. Das muss ich korrigieren: Ich habe die Lehrer-Examina gemacht aus Ratlosigkeit. Ich wollte eigentlich an der Universität bleiben, und mein Professor in Germanistik hatte mir eine Assistentenstelle in Aussicht gestellt. Mein Ziel war, irgendwann Professor für neuere deutsche Literatur zu werden. Das war mein eigentlicher bürgerlicher Lebensplan. Das mit der Musik war ja nur eine leise Hoffnung. Dann wurde diese Assistenten-Stelle gestrichen, und mein Professor sagte: „Werd‘ erst mal Studienrat und park da – ich hol dich irgendwann da raus.“ Das habe ich ihm aber nicht geglaubt, und deswegen bin ich dann in die Musik abgehauen.

Tobias Künzel, wo stehen wir mit dem Musikmarkt 2006? Ist es schwerer, sich mit mehr oder minder komplizierten Inhalten deutschsprachig durchzusetzen?

TK: Na, für uns eher nicht, weil wir ja etabliert sind – also sowohl Heinz als auch die Prinzen. Wir haben ja von Höhen und Tiefen gehört, die haben wir alle durch. Wir haben es auch schon erlebt, dass Heinz Rudolf Kunze und Verstärkung die Vor-Band der Prinzen war irgendwann mal in Stuttgart. Und ich weiß nicht, wie es heute aussehen würde. Ich glaube, wir sind so gefestigt, dass es genug Leute gibt, die uns kennen und mögen – also sowohl Heinz als auch die Prinzen –, dass wir uns in dieser Beziehung wenig Sorgen machen müssen, wenn wir unsere Arbeit ernst nehmen.

Das heißt, die demographische Entwicklung spricht für den weiteren Erfolg?

HRK (lachend): Ja, wir sind Vergreisungs-Gewinnler!

Wie versuchen Sie, neues Publikum zu gewinnen, Herr Kunze?

HRK: Ich hab dafür nie irgendwelche bewussten Maßnahmen ergriffen. Ich freue mich einfach über jeden, den es angeht, der meint, dass es ihn anspricht – oder sie. Dann sind die alle herzlich willkommen. Aber ich renke mich denen nicht groß entgegen. Ich hatte auch immer ein ziemlich erwachsenes Publikum. Als ich nach einem abgeschlossenen Studium 24 Jahre alt war und Musik zu machen begann – was ja ein Alter ist, wo man sich in England schon aus der Musik verabschiedet –, da hatte ich Hörer, die waren auch schon alle mindestens 18. Viele Hörer sind mit mir gemeinsam mit gealtert, und ein Teenie-Publikum hatte ich nie.

Ist ja auch eine komplexe Sprache, die Sie darreichen.

HRK: Ja – obwohl man da sehr differenzieren muss. Was einem die Leute so als Kommentar zu meinen Texten erzählen, da hat schon mancher akademische Hengst den gequirltesten Unsinn erzählt und mancher Azubi was Richtiges.

TK: Das erklärt übrigens auch das Phänomen von Heinz‘ Erfolg im Osten: Ich glaube, das Ost-Publikum war es eher gewohnt zuzuhören und auf Texte zu achten damals in den 1980-er Jahren. Da wurde ja nach Botschaften direkt gesucht. Und wenn dann einer aus dem Westen kam und irgendwas gesungen hat, dann dachte man: „Jetzt kommt hier die große Erfüllung, jetzt erfahren wir, wie es wirklich geht.“ Und ich denke, dass es im Westen schwerer war, ein zuhörendes Publikum zu finden.

Und der Westen hat die Prinzen gemocht, weil man da so richtig schön abfeiern konnte?

HRK: Ich glaube, der Erfolg der Prinzen erklärt sich daher, dass es eine ziemlich geniale Balance ist zwischen Herkunft-Haben und Herkunft-Bekennen einerseits und andererseits einer Verpackung, dass die West-Hörer, die ja nun mal die Mehrheit im Lande bilden, nicht das Gefühl haben, mit Ost-Nostalgie bedrängt zu werden. Da ist jemand, der kommt aus einer konkreten Ecke – das hört man auch –, aber der erzählt Sachen auf eine augenzwinkernde Weise, die überall zutreffen.

Ort und Zeitpunkt des Gesprächs: Leipzig, 2. April 2006
Mitschnitt und Verschriftung: Holger Zürch

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