Heinz Rudolf Kunze in Merkers

„Marlowe“ brachte er dann doch: Heinz Rudolf Kunze.

2008

Tiefes Gefühl, rotzfreche Persiflage

Erlebnis Berkwerk: Heinz Rudolf Kunze und Purple Schulz in 500 Meter Tiefe „Gemeinsame Sache“

Merkers – Wieder einmal ausverkauft war das Konzert im Erlebnisbergwerk Merkers. Die, die dabei waren, werden diesen Abend in bester Erinnerung behalten. Purple Schulz und Heinz Rudolf Kunze machten „Gemeinsame Sache“. Das ist auch der Titel ihrer aktuellen Tour.

Geht das überhaupt zusammen?, dachten sich viele Besucher im Vorfeld mit Sicherheit. Auf der einen Seite der Intellektuelle, der Poet Kunze, auf der anderen Seite der Sänger, der von den meisten durch seinen Hit „Verliebte Jungs“ in einer völlig anderen musikalischen Schublade abgelegt wurde. Und wie das ging! Purple Schulz entpuppte sich von Anfang an als überaus charmanter, extrovertierter Künstler mit reichlich Wortwitz und viel Lust an verbalen Frotzeleien. Auf ein musikalisches Minimum reduziert, interpretierte Schulz seine Band-Hits mit Inbrunst und viel Gefühl, ohne dabei in lästiges Pathos zu verfallen. Unterstützt wurde er von seinem langjährigen musikalischen Wegbegleiter Josef Piek. Mit ihm hat Schulz einen Sänger und exzellenten Gitarristen, der sein überragendes Können im Verlauf des Konzertes immer wieder unter Beweis stellen durfte.

Gleich zu Anfang verschwand Schulz kurz unter dem Vorwand, nach jemandem hinter der Bühne zu suchen, um im nächsten Augenblick im perfekten Xavier-Naidoo-Outfit und ebenso perfekt imitierter Gestik und Mimik wiederzukommen. Nachdem sich die ersten Zweifel der Zuhörer, wer das da oben ist, gelegt hatten, sang Schulz auf Naidoos Melodie „Und ich wollte noch Abschied nehmen“ mit „Und ich wollte nur Aufschnitt nehmen“ einen Text, den so wohl keiner erwartet hätte. Da stand also ein armer Schlucker mit Stoffbeutel auf der Bühne, der davon sang, wie entsetzt er war, als er statt seiner geliebten Metzgerei nun plötzlich einen Bio-Laden vorfand – rotzfrech, aber köstlich. Gleich danach „Sehnsucht“, so intensiv interpretiert, dass die Trostlosigkeit und Perspektivlosigkeit eines Lebens ohne Liebe regelrecht spürbar wurde.

Dann gesellten sich zu Schulz und Piek Kunze und Partner Wolfgang Stute und machten von nun an „Gemeinsame Sache“. Schon die Begrüßung zeigte, dass da vier Freunde auf der Bühne standen, die die auf beiden Seiten zu findende musikalische Genialität immer wieder in humorvoll formulierter Lobhudelei bekundeten. Kunze hatte in seinem Repertoire fast ausnahmslos Lieder, die perfekt für die instrumentale Besetzung passten. Er selbst sagte, dass sein Programm eigentlich sehr puristisch und ohne Gassenhauer ablaufen sollte, aber auf Betreiben der anderen drei dann doch wenigstens „Marlowe“ brachte. Das Publikum dankte mit Beifallsstürmen. Ansonsten waren es „düstere“ Lieder, die Kunze bot. Ultimatum oder Naherholungsgebiet waren textlich doch starker Tobak. Lieder, für die man eigentlich Minuten braucht, um sie voll inhaltlich erfassen und verarbeiten zu können. Aber Kunze half allen schnell, mit dem Liebeslied Geh mir nah aus dem emotionalen Tief herauszukommen. Finster, schwarz, aber köstlich: „Es geht zu Ende mit dir, der Geier kennt schon sein Revier“, eine Hommage an Johnny Cash.

Im Verlauf des Abends wechselten sich Schulz und Kunze immer wieder mit ihren Liedern ab. Dabei glänzten Piek mit sensationellen Soloeinlagen auf der Gitarre und Stute auf dem Cajon. Im Zugabeteil war sich Schulz nicht zu schade, sich selbst zu verballhornen. Unmerklich und urplötzlich wurde aus seinem „Kleine Seen“ „Tränen lügen nicht“ – und das Publikum machte den Spaß begeistert mit.

Längst schon hielt es keinen mehr auf den Plätzen, der Vorbereich der Bühne war gestürmt und mit dem Who-Hit „I want get fool again“ endete ein großartiger Konzertabend in 500 Meter Tiefe. Silke Happ vom Erlebnis Bergwerk hatte bei der Auswahl der Künstler wieder einmal ein glückliches Händchen bewiesen.

Südthüringer Zeitung/Freies Wort, don, 18. März 2008

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