Klare Verhültnisse

2007

Klare Verhältnisse

"Der Vater hieß Roswitha, doch nur für sich allein. Es soll für meine Mutter nicht ganz neu gewesen sein." Eieiei, das geht ja schon gut los. Klare Verhältnisse heißt das neue Studioalbum von Heinz Rudolf Kunze, und das ist ein recht merkwürdiger Titel. Denn "klar" war und ist bei Kunze selten etwas. Der Poet, der Wortakrobat, der Verbalprovokateur malte stets wilde Bilder in seinen Texten, deren Interpretation schon auch mal großzügig dem Hörer überlassen wurde. Einige Male ist das auch diesmal wieder so, etwa wenn er im gleichnamigen Blues-Song über Die Köpfe in der Kühltruhe singt. Doch die meiste Zeit ist Kunze ungewohnt deutlich. Und: Er ist friedlicher, hoffnungsvoller, versöhnlicher als auf den meisten seiner früheren Alben. Sollte es damit zu tun haben, dass er seit November 2006 zu dem Kreise der "Fünfziger" gehört?

Kunze ist also 50 geworden. Er sieht zwar auch nicht älter aus, macht aber gefühlt seit ebenso vielen Jahrzehnten Musik. Und nicht nur das: Zuletzt veröffentlichte er im Dezember ein musikalisches Hörbuch unter dem Titel Kommando Zuversicht. Nun also die neue Studio-Platte. Nachdem bereits mit dem letzten Album (Das Original) das Experiment, mit dem Produzenten Franz Plasa ein jüngeres Publikum zu erreichen, zu den Akten gelegt wurde, ist es auch diesmal der alte Weggefährte Heiner Lürig, der an die Seite des Interpreten trat. Bedeutet: Wo Kunze drauf steht, ist auch diesmal Kunze drin.

Guten Tag Traurigkeit heißt die Single-Auskopplung, die radiotauglich ist, aber dort natürlich wieder kaum gespielt werden wird. Beschwingt singt Kunze in diesem glasklaren Popsong vom fröhlichen Umgang mit der Niederlage und bietet, wie es so seine Art ist, der "Traurigkeit" als gern gesehenem Gast im Hause auch etwas zu trinken an. Musikalisch ist dies sicher einer glattesten Songs auf einer sonst sehr abwechslungsreichen CD. Doch inhaltlich ist eine Linie klar erkennbar. Friedlich ist er die meiste Zeit, der wütende Ankläger von einst. Friedlich, aber keineswegs resignierend.

Find mich eines Morgens beschreibt luftig-leicht allerlei Wünsche für einen gepflegten Abgang von der Bühne des Lebens. Ohne euch ist eine dankbare Klavier-Ballade, die seinen Fans gewidmet ist. Gute Reise, mehr Schlager denn Pop oder Rock, ist jener Song, den junge Eltern ihren Kindern am Abend bedenkenlos vorsingen können. Und das bedächtige Woran man mit mir war ist eine Art Bilanz des eigenen Wesens mit wunderbaren Zeilen: "Ich brauche nahe Menschen fern um mich herum. Wer sich in mich hineinbegibt, kommt lebend darin um" - Und: "Am schönsten wär', wenn niemand weiß, woran man mit mir war." Stimmt bisher, verehrter HRK, keine Frage ...

Vor allem aber ist es Kunze endlich mal wieder gelungen, ein wirklich großartiges Liebeslied zu schreiben. Ich brauch dich jetzt, Alles was sie will und Ich hab's versucht beschrieben die Liebe oder das Ende derselben, wie es treffender kaum ging. Hier nun ist heißt es schlicht: Schlaf gut. Die Ballade hat das Zeug für den letzten Song bei einem Heinz-Rudolf-Kunze-Konzert. Und ein größeres Kompliment kann es, Kunze-Fans werden's bestätigen, für ein Lied von ihm kaum geben.

Bewertung: ausgezeichnet

c|net, 19. Januar 2007

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