Heinz Rudolf Kunze

2007

Popmusik wird grundsätzlich nie erwachsen

DAS INTERVIEW: Heinz Rudolf Kunze veröffentlicht sein 29. Album und die Biografie Meine eigenen Wege

Heinz Rudolf Kunze hat in 25 Jahren 28 Platten veröffentlicht - und es ist kein Ende abzusehen. Am 19. Januar erscheint das neue Album Klare Verhältnisse des sprachgewaltigen Zynikers, flankiert von der offiziellen Biografie. Wir sprachen mit Heinz Rudolf Kunze über das Buch, seine neue Platte und den Höhenflug deutschsprachiger Popmusik

29 Alben in 25 Jahren - so fleißig wie Heinz Rudolf Kunze ist kein anderer deutscher Musiker. Was treibt Sie an?

Heinz Rudolf Kunze: Ich orientiere mich an Frank Zappa, der hat noch mehr Alben gemacht als ich. Was soll ich denn tun? Mir fällt einfach so viel ein. Das Bedürfnis zu pausieren kenne ich nicht. Grönemeyer und Westernhagen brauchen vier Jahre für ein neues Album. Ich weiß gar nicht, was die so lange machen. Ich würde verrückt.

Das neue Werk heißt Klare Verhältnisse - bezieht sich der Titel auf die Privatperson Heinz Rudolf Kunze, der gerade eine Trennung hinter sich hat und bereits wieder frisch verliebt ist?

KUNZE: Das ist auf jeden Fall ein großer Einschnitt. Besonders wenn man so lange mit einer Frau zusammen war wie ich. Insofern ist die Trennung nicht einfach und sehr schmerzhaft. Dieses Album ist aber geprägt von der Freude über eine neue sensationelle Situation. Es dauert immer einige Zeit, bis man den Schmerz verarbeitet hat und daraus Lieder machen kann. Deshalb könnte das nächste Album sehr emotional-blutig werden.

Die offizielle Kunze-Biografie Meine eigenen Wege wurde von Ihrem Freund und Wegbegleiter Karl-Heinz Barthelmes geschrieben. Warum haben Sie das als Mann des Wortes nicht selbst getan?

KUNZE: Weil ich mich in meinen Liedern bis auf ganz wenige Ausnahmen nie persönlich äußere. Normalerweise mache ich Rollen-Songs. Deshalb habe ich mich sehr gefreut, dass ich vor ein paar Jahren einen Pfarrer aus Bad Hersfeld kennen lernte, der bereit war, solch ein Buch zu machen. Anfangs hegte ich die Hoffnung, er habe noch den nötigen Abstand zu mir. Den hat er aber während des Schreibens völlig verloren und sich dermaßen reingekniet, dass er mich inzwischen besser kennt als ich mich selber. Karl-Heinz Barthelmes hat sein ganzes Privatleben geopfert, um diese Biografie zu schreiben.

Sie haben die deutschsprachige Popmusik in den letzten Jahrzehnten mitgeprägt. Ist sie mittlerweile erwachsen geworden?

KUNZE: Popmusik wird grundsätzlich nie erwachsen. Die Musik der neuen Kollegen wie Juli und Silbermond kann ich nicht beurteilen, weil ich zu wenig davon kenne. Ich habe den Eindruck, die machen einen guten Job. Nur bin ich nicht der Adressat. Die richten sich eher an sehr junge Leute. Um selber Spaß zu haben an Musik, brauche ich schon eine gewisse Art von Erwachsenheit.

Sie beziehen sich immer wieder auf Leute wie Bob Dylan, Neil Young, Pete Townshend, Tom Waits, Bertolt Brecht, Erich Kästner. Inspiriert Sie die Gesellschaft illustrer Geister zu kreativen Höhenflügen?

KUNZE: Die spuken in mir rum. Ich kann nichts dagegen tun. Ich bin von denen geprägt worden. Als Mann von 50 Jahren fällt es mir schwer, mich von jüngeren Kollegen prägen zu lassen. Deshalb laufe ich lieber den älteren nach.

Nie waren so viele deutschsprachige Künstler so erfolgreich wie heute. Wie kommt's?

KUNZE: Das liegt unter anderem daran, dass die englischsprachige Musik, die jahrzehntelang die Popwelt bestimmt hat, ihre Strahlkraft offensichtlich verloren hat. Ich würde mich aber freuen, wenn junge Bands wie Bloc Party und Interpol häufiger hier wären, weil ich denke, dass wir immer noch von England und Amerika lernen können. Das hat sich ein bisschen entkoppelt, und ich weiß gar nicht, ob das gut ist.

Bei Überlegungen einer reifen Frau schlüpfen Sie in die Haut einer Frau. Kann ein Mann eine Frau wirklich verstehen?

KUNZE: Ich schon. Weil ich verdammt noch mal ein Dichter bin. Das ist mein Job. Ibsen konnte Nora offensichtlich auch verstehen. Ich bin mir in meiner Geschlechterrolle nicht unsicher, ich bin weder bi- noch homosexuell. Aber es ist einfach meine Arbeit, mich auch in Personen des anderen Geschlechts hineinzuversetzen.

Abgesehen von Sexualität: Was geben Ihnen Frauen, was Ihnen Männer nicht geben können?

KUNZE: Frauen haben eine völlig andere Art zu denken. Es wird ja wohl kein Zufall sein, dass fast 70 Prozent Frauen Kunze-Platten kaufen. Das jedenfalls sagt eine Umfrage meiner alten Plattenfirma WEA. Offensichtlich verstehen mich Frauen besser als Männer. Das finde ich sehr schön.

Seit 2005 hat Deutschland eine Frau als Bundeskanzler. Was schätzen Sie an Angela Merkel?

KUNZE: Sie ist eine hochintelligente Frau. Und nicht so eitel wie Gerhard Schröder. Ich finde es unglaublich unverschämt, wie in deutschen Comedy-Shows mit ihr umgegangen wird. Sie wird auf eine unwürdige Weise beleidigt, weil sie als Frau nicht so ganz besonders toll aussieht. Das sollte nicht mal ein politischer Gegner tun.

Olaf Neumann, Mannheimer Morgen, 18. Januar 2007

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