Feinschliff am aktuellen Klangwerk: Die neuen Lieder sollen sich in möglichst vielen Ohren festhaken. Zu den Voraussetzungen gehören gleichermaßen jahrzehntelange Erfahrungen und erstklassige Ton-Technik

 

2007

Fotos: Holger Zürch

Klangrausch in Madagaskar – Blick über die Schulter...

Heiner Lürig an Mischpult
Der Herr der 1000 Regler: Heiner Lürig in seinem Element.
Heiner Lürig und Leo Schmidthals am Computer
Geht das noch besser? Bassist Leo Schmidthals und Heiner Lürig hören die soeben aufgezeichnete Bass-Linie ab.
Cens Carstens vor dem Mischpult
Schöpferischer Prozess: Beim Abhören der Demoversion gestaltet Schlagzeuger Jens Carstens seine rhythmischen Ideen, die er gleich bei der Aufnahme umsetzen will. Im Hintergrund die Sichtscheibe zum Studio, die den Produzenten Heiner Lürig am PC spiegelt.
Cens Carstens am Schlagzeug
Trommelrausch im Aufnahmestudio: Jens Carstens gibt sein Bestes für das neue Stück.
Heinz Rudolf Kunze am Laptop/iBook
Carpe diem! Jeder Augenblick wird genutzt: Heinz Rudolf Kunze tippt einen neuen Text vom Manuskript in den Laptop.
Heinz Rudolf Kunze nachdenklich
Schon nah dran, aber ist das tatsächlich schon das Optimum? Da geht doch noch mehr, oder? Heinz Rudolf Kunze lässt die neuen Aufnahmen auf sich wirken.
... bei den Studioaufnahmen des neuen HRK Albums Klare Verhältnisse. Holger Zürch konnte sich im Madagaskar Studio während einiger Aufnahmen einmal umsehen und hat uns einen sehr interessanten Bericht und Bilder mitgebracht.

Es ist wieder soweit im Herbst 2006: Frische Töne schwingen durch die Luft im Madagaskar-Studio. Hochkonzentriert arbeiten in der Wedemark bei Hannover alle Beteiligten am neuen Album von Heinz Rudolf Kunze. Das Ziel ist klar umrissen: Es soll ein weiterer Meilenstein werden und Heinz’ jahrzehntelange musikalische Erfolgsgeschichte fortschreiben. Holger Zürch hatte exklusiv die Gelegenheit, einen kompletten Tag des musikalischen Schöpfungsprozesses mitzuerleben.

Ein bilderbuchschöner Spätsommer-Sonnabend im September. Freizeit, Erholung, Ausspannen allerorten. Doch in einem kleinen, typischen Dorf in der Wedemark ist heute Arbeit angesagt: Heiner Lürig hat für 11 Uhr zwei Musiker von Heinz’ Verstärkung hierher ins Madagaskar-Studio eingeladen: Bassist Leo Schmidthals und Schlagzeuger Jens Carstens. Für vier der neuen Titel werden sie heute ihren musikalischen Part beisteuern. Heiner ist – wie schon so oft – sowohl Komponist und Gitarrist als auch Produzent der neuesten Kunze-Lieder.

Sanftes Dämmer-Licht im kleinen Raum. Sanft und augenfreundlich. Sachlich geht es hier zu und ruhig, fast gelassen. So zumindest der äußere Eindruck. Doch nach einer Weile dringt sie unter die Haut – die innere Spannung zwischen den Menschen unter diesem Dach. Denn das, was hier tatsächlich passiert, läuft einzig und allein in den Köpfen der Musiker ab. Und wird erlebbar als Töne, Klänge, Rhythmus, als Musik, die hier zur Welt kommt.

Diese innere Spannung findet nur selten ihren Widerhall in den Gesichtern, nur für Bruchteile von Sekunden, nur wimpernschlagkurz. Sie liegt still und ausdauernd in der Luft, ist nur mit feinen Antennen wahrnehmbar. Denn die äußere Ruhe und die sachliche Gelassenheit sind die Grundlage für das gemeinsame Ziel: Beste Ergebnisse in kürzester Zeit.

Jeder einzelne Ton aller Instrumente wird hier über Wochen puzzlesteinartig eingesammelt, mit feinsten Mitteln sowie allen erdenklichen technischen Raffinessen veredelt, um dann in das Musik-Bild jedes Liedes eingefügt und mit Heinz’ Gesang gemischt zu werden. So werden akustische Edelsteine geschliffen. Und wenn es gut geht, werden diese in der Öffentlichkeit auch als solche wahrgenommen – und mit dem nötigen Quäntchen Glück womöglich zu Hits.

Mit dem Musik-Material sind Leo und Jens wie alle beteiligten Musiker gut vertraut: Heinz und Heiner haben schon Monate zuvor die Demo-CD mit den neuen Liedern produziert, eine Art Vorab-Album. Von beiden hier im Madagaskar-Studio gefertigt, im Alleingang, in bewährter Form alle Instrumente eingespielt – Keyboard, Drum-Computer und weitere Musik-Computertechnik machen es möglich.

Leo macht den Anfang. Der Gang in den Aufnahme-Raum nebenan hinter der großen Glasscheibe erübrigt sich für ihn. Er stöpselt einfach gleich hier seine Bass-Gitarre ein und setzt sich direkt neben Heiner, der am riesigen Mischpult die Regler schiebt und mit winzigen Drehungen an zahllosen Drehknöpfen feinste Klang-Nuancen ändern kann.

Los geht’s: Heiner startet die Aufnahme, die Demo-Version von Biedermeier schallt aus den Studio-Boxen, und Leo greift in die Saiten – ohne Notenvorlage, seinen Part hat er im Kopf. Ein satter Klang füllt den Raum. Während des Liedes summen und wippen beide mit, der Rhythmus-Fuß schaukelt im Takt – und Heiner lässt sich mitreißen und spielt am Pult Luft-Schlagzeug.

Die erste Aufnahme ist im Kasten. „War schon ganz gut“, sagt Heiner – und erklärt Leo Sekunden später mit ruhiger Art, was er sich dann doch noch um Feinheiten anders wünscht. Leo nickt, spielt die Stellen kurz an, schaut fragend zu Heiner. „Könnte so gehen“, sagt der und startet wieder die Aufnahme. Der zweite Anlauf, Leo bricht mitten im Lied ab, sagt: „Bitte noch mal von vorn.“ Heiner nickt, drückt einige Tasten, und die ersten Takte erklingen erneut. So arbeiten sie sich konzentriert durch das Lied.

Auf den beiden nebeneinander stehenden Computer-Bildschirmen tauchen die Bass-Aufnahmen als rote Balken auf. Zwei, drei Aufnahmen später ist Heiner zufrieden: Leos Bass-Spiel ist jetzt so, wie er es sich vorgestellt hat.

Aus den zahlreichen Farb-Balken vor sich auf den Monitoren wird Heiner später in mönchischer Einsamkeit das zusammenbauen, was dann Monate später – aus vielen musikalischen Mosaiksteinen zusammengefügt – auf dem neuen Album zu hören sein wird, als endgültige Fassung.

Im Laufe der folgenden Stunden wiederholt sich dieser Schaffensprozess mit den weiteren Bass-Anteilen von Leo und mit den Schlagzeug-Strecken von Jens, der – gerade eben von einem seiner vielen Rosenstolz-Auftritte hierher gekommen – ebenso wie Leo seine musikalischen Angebote macht. Erstaunlich dabei die Wandlungsfähigkeit der beiden Vollblut-Musiker, die jedem Chamäleon zur Ehre gereichen würde (Dieses Talent bei den anderen Musikern zu beurteilen entzieht sich dem Chronisten, der ja an diesem einen Tag nur Leo und Jens erleben konnte – doch es darf wohl unterstellt werden, das diese ebenso vielseitig sind).

Zwischendurch taucht hin und wieder Heinz Rudolf Kunze auf, lauscht still, wechselt leise einige Worte mit Heiner, nickt in die Runde – und zieht sich wieder zurück. Das hier ist eindeutig Heiners Spielwiese, da lässt sich der Künstler lieber vorm Studio die September-Sonne aufs Haupt scheinen und tippt am Garten-Tisch seine neuesten Texte in den weißen Laptop.

Um 19 Uhr ist Feierabend, der Produktionstag zu Ende. Heiner wirkt zufrieden und lässt sich einige wenige Einzelheiten über das neue Album entlocken: „Siebzehn Titel haben wir produziert, vierzehn kommen auf das reguläre Album. Zur Album-Veröffentlichung gibt es eine limitierte Doppel-CD, und auf der zweiten CD sind die drei anderen Titel als Bonus zu haben.“ Kleiner Kauf-Anreiz also für alle, die das Exklusive lieben und besitzen möchten.

Für den Beobachter und stillen Zuhörer wird bald klar: Bevor je einer der neuen Titel zum ersten Mal den Weg in das Gehör der Öffentlichkeit findet, haben Heinz, Heiner und Compagnie jedes einzelne Lied schon Dutzende, vielleicht auch Hunderte Male gespielt. Für die, die musizieren, dürfte dann also schon der Zauber fast aller Lieder verblichen sein, den jede Zuhörerin, jeder Zuhörer jetzt erst für sich entdecken. Eine merkwürdige Erkenntnis – die andererseits auch verständlich macht, warum den Musikern nach Jahrzehnten manche Hits meilenweit zum Hals heraushängen, ganz gleich, was es einst für Meilensteine waren …

Der Tag klingt wie gewohnt aus mit einem gemeinsamen Abendessen, heute beim beliebten Italiener mit großem Freisitz wenige Kilometer entfernt. Dort sind Heinz, Heiner und ihre Begleiter Gäste wie viele andere auch, fallen ganz gewollt in keiner Weise besonders auf. Wohl niemand hier von den anderen Gästen ahnt, dass die Musiker kurz zuvor noch an einem Stück Musikgeschichte gestrickt haben, welches möglicherweise weit über Ort und Zeit hinaus wirkt …

Ganz zum Schluss sagt Heinz noch: „Dies ist das persönlichste Album, das ich je gemacht habe.“ Wir dürfen also gespannt sein.

Holger Zürch, Stirnenfuss, 1. Januar 2007

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