Heinz Rudolf Kunze

2005

Foto: Annette Krüger

Vielleicht ein später Roman wie Fontane

Interview mit Heinz Rudolf Kunze am Sonntag vor der Tour 2005

Rechtzeitig zur Tour 2005 Das Das Original darf ich für mein Literatur-Forum text-fuer-text.de ein telefonisches Interview mit Heinz Rudolf Kunze führen, der gerade zu den Proben nach Worpswede unterwegs ist.

Nach kurzer, freundlicher Begrüßung stelle ich ihm kurz das Literatur- Forum in den Grundzügen vor. Ich erwähne dabei, dass einige von uns ihre ersten Leseerfahrungen in Worpswede gemacht haben, an dem Ort, wo HRK und Verstärkung das Programm für die Tour einproben und auch ihr erstes Konzert geben werden. Es gebe aber keinen besonderen Grund dafür, dass ausgerechnet in diesem Künstlerdorf eröffnet werde, sagt HRK, die Agentur buche und die Gründe für diesen Auftrittsort entziehen sich seiner Kenntnis.

Zu meiner Frage, was wir denn auf einem "Original-Konzert" erwarten dürfen, stellt er besonders heraus, dass die Platte kein Alibi für das Spielen alter Lieder sei und dass, wie es sich gehöre, eine Mixtur zu hören sein werde, zur einen Hälfte bestehend aus Liedern der neuen Platte und zur anderen Hälfte aus einer Auswahl aus 25 Jahren Kunze.

Heinz Rudolf Kunze: Außerdem habe ich ja bei meinen Sprechtexten zwischen den Stücken die Möglichkeit auch etwas aktueller, etwas kabarettistischer zu reagieren und konkrete Zeitbezüge, Tagesschlagzeilen – wenn ich möchte – aufzugreifen, was ja in Songform etwas schwerfällig geht.

Matthias von Schramm: Die Original-Tour sieht mit Leipzig und Dresden nur zwei Oststädte vor. Ist noch mehr zu erwarten?

HRK weist darauf hin, dass mit acht Städten ohnehin nur eine kleine Tour vorgesehen sei. Leipzig und Dresden bezeichnet er als die Metropolen des Ostens.

HRK: Wir sind eigentlich immer, wenn das möglich war, im Osten sehr flächendeckend unterwegs gewesen und kennen da inzwischen wirklich jede Tankstelle, aber bei dieser Tournee soll erst einmal mit acht bescheidenen Konzerten ausgelotet werden, wie die Lage und Nachfrage ist – in der Hoffnung, dass wir dann im Herbst einen zweiten Teil nachschieben können, der dann auch kleinere Städte bedenkt – in jeder Region.

Bei den Jubiläumskonzerten am 21. und 22. Dezember vergangenen Jahres in Hannover war zum 25jährigen auch ein alter Gefährte (Martin Huch) mit dabei. Ich erfahre aber, dass es nicht geplant ist, mit anderen Ehemaligen weitere Projekte zu machen. Gefragt waren in diesem speziellen Fall Martin Huchs besondere Fähigkeit im Umgang mit Country-Instrumenten.

HRK: Auf der Tournee wäre das jetzt gar nicht möglich. Wir sind also nicht acht Leute, sondern sieben, weil Martin für die Gesamtheit des Programms doch ein bisschen wenig zu tun hätte, so wie wir momentan organisiert sind. Ich habe ja mit Jörg Sander und Heiner Lürig zwei exponierte Gitarristen an meiner Seite und spiele selbst auch noch ein bisschen Gitarre und noch ein vierter Martin Huch wäre dann doch ein bisschen Overkill gewesen.

MVS: Die Mitschnitte dieser Konzerte auf den Dritten, insbesondere die dreistündige Heinz Rudolf Kunze-Nacht auf N3 waren nicht nur ein großes Geschenk an die Fantreue, sondern auch ein gutes Zeichen, was das Medieninteresse angeht – oder sehe ich das falsch?

HRK: Nein, wir haben uns schon sehr darüber gefreut, dass vier Dritte Programme das angenommen haben, aber das liegt gewiss nicht nur an uns, sondern auch an dem berühmten Namen "Christian Wagner"; und wenn er etwas mit dem Rockpalast macht, dann ist das eine Hausnummer. Ihm hört man zu, auch außerhalb des WDR, und ich finde es gut, dass er sich uns zugewandt hat; er hat ja mein ganzes Leben fernsehmäßig begleitet – ich habe schon vier Mal mit ihm im Fernsehen live zusammen gearbeitet – und vom 1. März 1985 an, wo ich den ersten Rockpalast mit ihm gemacht habe, datiert unsere Beziehung zueinander. In regelmäßigen Abständen hat er mich immer wieder aufgenommen, deswegen war er die bestmögliche Wahl, um das jetzt zu machen.

Amüsiert erwähnt Heinz Rudolf Kunze, dass sich hierzulande Sänger vielmals darauf beschränken, ihre Sachen zu bellen, zu grunzen und zu stöhnen – ohne Namen nennen zu wollen oder zu müssen. Auf meinen Hinweis, dass seine Gesangsstimme über die Jahre immer besser geworden sei, sagt er, dass es nicht nur eine Sache des Trainings sei (welches nicht unterschätzt werden solle), sondern auch mit dem eigenen Zutrauen zusammenhänge. Er betont lachend das melodische Defizit in Deutschland.

Kunze sagt, dass trotz der zweijährigen Abwesenheit seines Partners und Mitproduzenten Heiner Lürig beim Zusammentreffen mit der neuen Band nicht alles anders geworden sei.

HRK: Man kennt sich ja so gut und hat über 16 Jahre zusammengearbeitet, da kann man auch wieder anknüpfen und Heiner hat ja auch in meiner Zeit bei mir den Wechsel der Bandbesetzungen miterlebt. Es ging erstaunlich reibungslos und einfach, sich an die neuen Mitarbeiter zu gewöhnen, außerdem haben wir ja noch mit Matthias Ulmer einen Mann, der eine Brücke schlägt von alt nach neu und der auch schon länger mit Heiner zusammenarbeitet. Das einzige Problem, was ich sah, war: Wie würden sich die beiden Gitarristen vertragen - aber auch das war kein Problem.

Ich erwähne, dass auch beim Original, einem typischen Kunzealbum, Stücke dabei seien, die ebenso einem literarischen Programm standhalten würden. "Wasser bis zum Hals steht mir" sei solch ein Programm gewesen, das sogenannte Dritte Andere Album.

K. über Franz Kafka sei solch ein Stück – aber Kunze unterstreicht auch mit Im Sarg seinen Bezug zu Edgar Allen Poe und Lied für einen dünnen Mann eine große Etüde über Bob Dylan.

MVS: Es war also auch Experiment beim Original möglich?

HRK: Wenn es überhaupt so etwas wie einen roten Faden bei meiner Arbeit gibt, dann ist es der, dass immer wieder sehr viel möglich ist. Ich habe nie Platten in monochromer Farbe gemacht. Das ginge gar nicht bei meinen Texten. Ich sehne mich manchmal danach – ich würde weiß Gott etwas dafür geben, mal eine einfarbige Platte zu machen, aber das krieg ich nicht hin. Bei mir ist das immer etwas chamäleonartig, weil die Texte so verschieden sind.

Kunze betont des weiteren eine sehr friedliche Zusammenarbeit beim Original, die er auch auf die Umgangsformen im zunehmenden Alter zurückführt – früher hätte es mit Heiner Lürig schon des öfteren gekracht, auch wenn es immer um die Sache gegangen sei.

Die kleine Lesetour mit seinem Manager und Mitstreiter für Percussion auf der Bühne, Wolfgang Stute, die nur wenige Tage zurück liegt, beschreibt er als sehr schöne Erfahrung. Er habe dabei seinen eigenen Schwur gebrochen, dass Lesen und Musik getrennt voneinander präsentiert werden müsse. Klassische Gitarre und Percussion boten eine Hälfte des Programms, die andere waren die eigenen Lesetexte - eine dritte Form eben. Und er möchte dies gerne fortsetzen. Zur Frankfurter Buchmesse erscheint sein nächstes Buch.

HRK kündigt an, dass am 27. Mai dieses Jahres in Hannover zum Evangelischen Evangelischen Kirchentag ein Kunze-Konzert, wie man es kenne, stattfinden werde. Der Song zum Kirchentag Mehr als dies werde ganz normal in das Programm eingebettet sein. Er selbst aber sei in den Kirchentag noch darüber hinaus eingebunden, beispielsweise werde er auch ein Textauslegungsseminar über eine bestimmte Bibelstelle anbieten.

Zum Tod von Papst Johannes Paul II sagt er, er sehe in ihm neben Gorbatschow die einflussreichste Persönlichkeit der Weltgeschichte der letzten zwanzig Jahre. Er hält es für einen Nachfolger schwierig, die Popularität von Johannes Paul II. zu erreichen. Kunze sagt, dass es seinem Umgang mit den Medien zu verdanken sei, dass die altehrwürdige Kirche in das Medienzeitalter überführt werden konnte.

Natürlich freut Kunze die große Fantreue, es gebe unter ihnen einige, die hart gesotten jede Wendung mitgemacht haben. Seine Fans seien in der Regel eher zurückhaltend und keine penetranten Anklopfer. Viele seien gemeinsam mit ihm älter geworden.

Als eine seiner großen Schwächen und Versäumnisse betrachtet es HRK, bislang keine Prosaarbeit in Romanformat geschaffen zu haben. Aber er gibt die Hoffnung nicht auf, schließlich sei Fontane auch erst im hohen Alter dazu gekommen.

Wenn Musik zu seinen Texten hinzugefügt werde und die Musik von ihm selbst stamme, werde kaum nachträglich Veränderung am Text vorgenommen – sobald jedoch Heiner Lürig oder ein anderer komponiere, sei es schon mal eher vonnöten. Er sei dann aber durchaus nachgiebig.

MVS: Heinz, ich wünsche Dir und der Verstärkung eine erfolgreiche Tour. Vielen Dank für das Interview.

HRK: Danke und einen schönen Sonntag noch.

Matthias von Schramm, text-fuer-text.de, 3. April 2005

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