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Schreibt jeden zweiten oder dritten Tag etwas und hat es damit schon auf 25 Alben gebracht: Heinz Rudolf Kunze.

2005

Deutsch-Quote? "Das Anliegen ist richtig, die Methode ist falsch"

Zur Musik verschlug es den Germanisten Heinz Rudolf Kunze eher zufällig. Am Montag erscheint aber doch schon sein 25. Album. Über Das Original spricht er in unserem Interview.

Frage: Im Booklet Ihres neuen Albums findet sich ein Zitat von Portugals berühmtem Dichter Fernando Pessoa: "Wenn das Herz denken könnte, würde es still stehen." Warum?

Heinz Rudolf Kunze: Pessoa will eine Trennung machen zwischen Seele und Emotion und Vernunft und Verstand. Er ist ein sehr melancholischer Dichter. Fado ist die typisch traurige Musik Portugals. Auch sein Werk ersäuft fast in Melancholie und Depression. Wahrscheinlich will Pessoa sagen: Wenn mein schweres Herz auch noch denken könnte, dann würde es sofort vergiftet sein.

Frage: Hört sich ja nicht gerade aufmunternd an ...

Heinz Rudolf Kunze: Man kann das Ganze auch ins Positive wenden und die Worte benutzen: Gott sei Dank kann oder muss das Herz nicht denken. Sondern schlägt einfach unverwüstlich weiter, obwohl es den Verstand gibt.

Frage: Auf Ihrer Homepage steht, dass Sie bis zum heutigen Tag 1013 Texte verfasst haben. Was ist ihr Antrieb? Wie läuft das ab?

Heinz Rudolf Kunze: Wie atmen. Das ist einfach ein Teil meines Lebens. Ich schreibe jeden zweiten oder dritten Tag etwas. Ich hebe aber nicht alles auf. Der Antrieb ist wie ein Spieltrieb.

Frage: Und wann haben Sie diesen Spieltrieb entdeckt?

Heinz Rudolf Kunze: Ich habe mit zwölf oder dreizehn Jahren mal etwas Skurriles geschrieben und meinen Freunden vorgelesen. Die schauten verdutzt und sagten, dass ich es noch mal machen soll. Ab da war ich gefangen. Wenn man Leute für einen Moment verzaubern und verblüffen kann, dann will man das wieder machen.

Frage: Weil Sie immer etwas singen, spielen oder schreiben, ist Ihnen sicherlich nie langweilig ...

Heinz Rudolf Kunze: Ich kenne durchaus noch das Gefühl der Langeweile und empfinde mich auch eher als faul. Es gibt Phasen in denen ich stundenlang vor dem Fernseher liege. Ich habe mein Leben anscheinend gut einrichten können. Die unangenehmen Tätigkeiten werden mir alle abgenommen.

Frage: Auf Ihrer Homepage befindet sich eine große Kategorie von Musikwerken, dies ie empfehlen. Bob Dylan, New Order und die Rolling Stones, aber auch vergleichsweise ganz Neues wie die Alben von Kings of Leon oder den Ordinary Boys. Alles ist in englischer Sprache. Sie wollen aber lieber auf Deutsch singen …

Heinz Rudolf Kunze: Ich bin ein deutscher Dichter und habe in dieser Sprache meine Einfälle. Ich kann sehr gut Englisch und arbeite auch als Übersetzer. Aber ich würde es mir nie anmaßen, Englisch zu singen. Diesen besonderen Zungenschlag, der englische Texte glaubwürdig macht, den besitzt man nur, wenn man 20 Jahre in Birmingham oder Tennessee gelebt hat.

Frage: Bei der Forderung nach der Radioquote spielt das Stichwort "Deutsch" auch eine große Rolle. Anders als noch 1996 sind Sie diesmal keiner der eine Quote fordert, warum?

Heinz Rudolf Kunze: Ich warne davor! Das Anliegen ist richtig, die Methode ist falsch. Mit solchen Reizwörtern wie "Quote" können wir so etwas in Deutschland nicht erreichen. In Frankreich hat es geklappt, aber das ist ein zentralistischer Staat. Die Aussicht, hier 20 Rundfunkgesetze ändern zu müssen, ist unerträglich. weil das nicht klappt. Aber dennoch finde ich es eine Sauerei. wenn im Bundestag ein FDP-Arschloch aufsteht und fragt: "Wollen Sie denn alle mehr Küblböck hören?" Ist doch klar, dass ich das nicht mag. Alle Parteien müssen sich zusammenraufen, eine Kulturkommission bilden und auf eine Reise durch Deutschland gehen und versuchen, die Verantwortlichen zu überzeugen.

Frage: Ist die Vorstellung einer Radiostation, die nur 100 Titel in der Rotation hat, demnach Ihre Vorstellung von derHölle?

Heinz Rudolf Kunze: Die Hölle ist bei mir in Niedersachsen Realität.

Frage: Stichwort Hölle: Sie haben ein Lied für den deutschen Kirchentag geschrieben. Wie ist Ihr Einstellung zur Religion?

Heinz Rudolf Kunze:Ich bin kein aktiver Christ aber ich halte Gott für möglich.

Frage: Sie sagen also nicht: Was ich nicht sehe, gibt es nicht ...

Heinz Rudolf Kunze: Das macht letztlich kein Künstler, selbst wenn er das Gegenteil behauptet. Kein Künstler kann, wenn er sich genauer erforscht, Atheist sein. Die Beschäftigung mit Kunst und mit Religion ist eng verwandt. Wer Gott als Künstler kategorisch ausschließt macht sich was vor. Denn die Beschäftigung mit Kunst ist etwas Metaphysisches. Eben auch ein Bereich den man mit Händen nicht greifen kann.

Leipziger Volkszeitung, Matthias Würfl, 25. Feburar 2005

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