Heinz Rudolf Kunze live 2003 (Foto von Annette Krüger)

2003

Am Ende bleibt das Wort

Heinz Rudolf Kunze im Capitol Hannover

Ein Musiker, der 23 Alben gemacht hat, ist normalerweise alt und ruht sich auf seiner Lebensleistung aus – oder tot und lässt andere auf seiner Lebensleistung ausruhen. Heinz Rudolf Kunze ist weder noch, und ausruhen kommt für ihn so gar nicht in Frage. Kunze ist noch nicht einmal 50, er hat eine neue Band, er hat gerade Rückenwind, seine 23. Platte, veröffentlicht. Und nun steht "der Heinz", wie er sich beim Heimspiel vor 1500 Fans im hannoverschen Capitol gern nennen lässt, zwischen seinen jungen, gut aufgelegten Mitstreitern auf der Bühne und singt "Ich bin schön und gut".

Die Kunze-Kenner, und der Saal ist voll damit, glauben ihm natürlich kein Wort und überlegen dann hinterher, ob vielleicht doch ein Fünkchen Wahrheit dran ist. Genau so funktioniert das bei ihm. Immerhin hat Kunze nach Kahlschnitt und Zauselbart wieder eine Frisur. Und das "gut" gilt es zu beweisen, hinten im Publikum steht unter anderem sein musikalischer Ex-Partner Heiner Lürig und schaut ganz genau hin, was der Heinz macht.

Der Heinz schaukelt ein wenig kraftlos mit dem neuen Himmelfahrtskommando los, spielt ein paar weitere Kapitel aus Rückenwind herunter und kommt dann allmählich in Fahrt. Was bei Kunze auch immer bedeutet: die alten Sachen. So uralt wie das Balkonfrühstück zum Beispiel, das unkaputtbare, ironietriefende Wortwerk aus einer Ära, als man noch so richtig dagegen sein durfte. Wie merkwürdig das heute wirkt.

Aller Herren Länder, Kunzes letzter Radiohit, kommt musikalisch im Friedensdemo-Sound daher und wird textlich um aktuelles Bush-Bashing aufgebrezelt, um den "Orient", der "deine Bomben kennt". Dann doch lieber "Zum Beispiel dass es Winter wird", diese ewig frische Anfangszeile aus der musikalischen Lebensabschnittsabrechnung Noch hab ich mich an nichts gewöhnt.

Nach knapp einer Stunde kippt das Konzert plötzlich in eine Zuhörstimmung, in der wildes Mithüpfen überhaupt keine Rolle mehr spielt. In der es sich lohnt, dem Sänger das Wort im Munde herumzudrehen. Mögen sie ihn in den Dudelradios auch abgehakt haben, in diesem Segment ist Kunze nach wie vor allein auf weiter Flur. Da darf er dann auch ruhig mal mit einem Hesse-Zitat auf die Sahne hauen oder mit einem pathetischen Sprechtext ein bisschen dick auftragen. Natürlich wird auch gerockt, mit Alles was sie will, dem Schlaf der Vernunft, Mabel, ja selbst Dein ist mein ganzes Herz wird entstaubt. Doch was hängen bleibt, nach zweieinhalb Stunden, die für die demnächst erscheinende Live-Platte Dabei sein ist alles aufgezeichnet werden, ist das Wort. Und die Freude auf Kunzes und Lürigs Sommernachtstraum in Herrenhausen.

Uwe Janssen, Hannoversche Allgemeine, 21. Mai 2003

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