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2002

Heinz Rudolf Kunze unter Wasser. Das Foto hat sein Sohn Paul im Pool der Nachbarn gemacht.

Kunze geht die Puste nicht aus

Heinz Rudolf Kunze. Er singt nicht, er spricht und schreit auf seiner neuen CD

Er liegt mal wieder voll im Trend: Heinz Rudolf Kunze, 45. Sein neues Album Wasser bis zum Hals steht mir ist eine Mischung aus Hörbuch und Pop-CD, gesprochene Texte in Musik. Kunze brüllt und rappt, zerstückelt Worte, um sie neu wieder zusammenzusetzen. Interview über den aktuellen Trend zum gesprochenen Wort:

Bunte: Auf Ihrem neuen Album schreien Sie, flüstern und lassen die Stimmen in Ihrem Kopf sprechen. Spielen Sie verrückt?

HRK: Das hat mit meinem Leben nichts zu tun. Ich lebe sehr beschaulich und normal. Alle meine Visionen und Ängste kann ich in meine Arbeit auslagern. Nur so halte ich das durch. Ich bin nicht so verrückt wie meine Arbeit. Es gibt zwei Möglichkeiten zu leben: Udo Lindenberg und Immanuel Kant. Ich tendiere zu Kant.

Bunte: Sie bezeichnen die deutsche Denkerelite, u. a. Albert Einstein, als verrückt. Nur der exzentrische, drogenabhängige Kabarettist Wolfgang Neuss (gestorben 1989) ist für Sie normal. Warum?

HRK: Ich hatte die Ehre, den großen alten Mann des deutschen Kabaretts kennen lernen zu dürfen. Ich habe sein Gesamtwerk durchgelesen und fühlte mich handwerklich sehr an mich erinnert. Seine Art, Worte zu brechen, zu knacken und anders wieder zusammenzusetzen, ist eine typische Kunze-Technik.

Bunte: Neuss hatte den Spitznamen "Der Kiffer von Kurpfalz", saß mehrfach wegen Haschisch-Besitzes im Gefängnis ...

HRK: Gekifft habe ich noch nie. Die einzige Droge, die ich wirklich gut kenne, ist Rotwein. Ich hoffe, daß ich jetzt, wo Sie mich fragen, keinen Haartest machen muß. Neuss und ich sind auf verschiedenen Wege zu ähnlichen Ergebnissen gekommen.

Bunte: Zuhören ist Trend. Lesungen und Hörbücher boomen. Wie erklären Sie sich das?

HRK: Mit ungenügendem deutschen Radio. Ich finde den Trend schön. Ich habe ja so was immer gemacht – schon vor Popmusik.

Bunte: Kann man sprechend das Publikum besser erreichen als singend?

HRK: Nichts ist besser als ein einfacher Song von Bob Dylan. Ein guter 3,5-Minuten-Song ist ein Wert an sich. Aber es gibt Dinge, die man in gereimter Form und mit Refrain nicht sagen kann. Die sollen nicht unter den Tisch fallen.

Ann Thorer, Bunte, 14. März 2002

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