Artikelfoto (Foto Wolfgang Zeven)

2001

War x-mal hier, doch wurde auch gestern wieder gefeiert: Heinz Rudolf Kunze

Heinz Rudolf Kunze live: Audienz in der Hochburg

Gestern im Leipziger Auensee

Kinnbart, Bauch und Brille sind doch des Volkes Wille. Fast 2000 pilgerten gestern an den Leipziger Auensee, um Heinz Rudolf Kunze & Verstärkung zu erleben. Der Geschichtenerzähler machte Halt, um sein gleichnamiges neues Album (Wea) vorzustellen.

Blaue Lichtfinger stochern im Nebel, dann ist er da. In schwarze Schlabberkluft gehüllt und lederbehütet baut sich Kunze am Mikro auf: "Ich bin stolz auf Euch", lobt er "das vollständige Erscheinen" und legt mit Fühlst Du das eher gemächlich los.

Es ist eine Audienz in der Hochburg. Hier badet der je nach Gemütslage als zartbitter oder halbtrocken empfundene Pop-Poet in der Menge, ist die Textsicherheit am größten. Honoriert wird, daß der brillante Barde mit dem Hang zur Boshaftigkeit nicht auf alles eine Antwort parat haben will. Wenigstens stellt er noch Fragen!

Und so gehen die Fans mit, wenn sein Jesus Tomahawk wie die Axt durch den Wald westlichen Wildwuchses geht, der Feingeist grob gegen den auf allen Kanälen verklappten Talk Show Schmutz zu Felde zieht. Welch' Glück, daß der Mann einst den Lehrerjob schmiß. Applaus!
Den Beifall selbst aus der letzten Reihe honoriert die meist minimalistisch agierende Verstärkung mit steigender Intensität. Mal nehmen die Fünf Gas weg – Kunze greift in die Tasten, und Alter Ego Heiner Lürig reckt im Off die Glieder. Dann rocken sie wieder schwelgerisch und lassen die Muskeln spielen. Längst haben sie ihre Symbiose aus angloamerikanischer Musik und Teutonen-Text so perfektioniert, daß keiner im Publikum mehr nachdenkt, ob das zusammengehen kann. Die "Gehirnvernichtungsmaschine deutsches Radio" erntet ätzenden Spott. Ich geh' meine eigenen Wege singt Kunze und setzt seinen Stirnenfuß in Bewegung" – auf daß sich die Zuhörer einmal mehr am Spiel mit der Interpretation ergötzen. Auch nach 20 Jahren in seinem bizarren Beruf geht HRK aufrecht und bringt den Worten das Tanzen bei.
Am Ende sind 2000 selig. Damit der Abschied nicht zu schwer fällt, wird mit reichlich Zugaben geübt. Was tröstet, ist die Erinnerung. An einen tollen Abend vor dem Morgen danach.

I. Rosendahl, Leipziger Volkszeitung, 10. Mai 2001

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