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2001

 

"Ich kenn alle Sprüche" – HRK und die Zweifelsfalle.

Wo war'n wir noch stehen geblieben?

"Fühlst Du?" – Heinz Rudolf Kunze eröffnete seine Deutschland-Tournee in Cloppenburg

Dieser Mann ist nicht jung und nicht alt, wird nicht überall geliebt, selten gehaßt, ist aber flächendeckend Kult. Seit 20 Jahren ist er kein richtiger Rocker, kein echter Liedermacher – eben einer, der sich jeder Öffnung seiner eigenen Schublade widersetzt, aber trotzdem musikalisch-literarische Akzente setzt: Im niedersächsischen Cloppenburg feierte Heinz Rudolf Kunze nach der Veröffentlichung seines neuen Albums Halt und seines fünften Buches Klärwerk die Premiere seiner insgesamt 25 Konzerte umfassenden Deutschlandtournee.

"Wir haben lange und intensiv geprobt", erklärte ein sympatisch-nervöser Kunze vor dem Erklingen des ersten Akkordes. "Jetzt sind wir das Üben leid, und ich hoffe euch gefällt das Ergebnis unserer Arbeit." Sprach's und die Band legte los. Fühlst Du das? und Halt aus dem aktuellen Album begeisterten zunächst schüchtern-verhalten. Eben eine Premiere der ganz normalen Art.

Kunze ist ganz in Schwarz gekleidet. Der kurz gezückte lederne Cowboyhut verbirgt eine extreme Kurzhaarfrisur. Am Kinn ein langer Catweazle-Bart, der nur schwerlich vom Bauch ablenken kann. Kein Frauentyp, keine Abziehfigur vom Rock-Star. Aber das stört niemanden, wir sind auf einem Konzert mit Niveau und nicht bei den Backstreet Boys!

Es folgt der unkonventionell arrangierte Klassiker Brille – das Eis ist endgültig gebrochen. Kunze am Mikro, am Flügel, an der Akkustik- und E-Gitarre, mit dem Bottleneck oder der Mundharmonika. eine positive Euphorie zwischen Bühne und Publikum ist schnell geschaffen. Als letzter überwand auch der Mann am Mischpult die Phase des Probens und der Sound in der Cloppenburger Stadthalle stimmte nach dem ersten Drittel. Mit der sich schnell steigernden Publikumsresonanz kam auch die Spielfreude der fünf Musiker unmittelbar auf Hochtouren.

Messerscharf in gewohnter Weise die Texte von Heinz Rudolf Kunze. Geschliffene Worte – autobiografisch, selbst- und gesellschaftskritisch: "Ich kenn alle Sprüche, dämliche und kluge, doch sie helfen in der Zweifelsfalle nie."

Und er ist ein Meister der Balladen: Bei den leisen Tönen beeindruckt HRK mit außergewöhnlichem Potenzial. Wo war'n wir stehngeblieben, der einfühlsame und gleichsam dramatische Titel Pegasus und vor allem Abschied muß man üben, ein unfreiwilliges Requiem an Kunzes vor kurzem verstorbenen langjährigen musikalischen Mitstreiter Mick Franke, gingen unter die Haut.

Zur einen Hälfte schöpft Kunze aus dem Repertoire der aktuellen CD, den zweiten Part nehmen die älteren Klassiker ein. Eine intelligente Wahl, denn sein Publikum ist generationsübergreifend. Regen in Berlin oder das legendäre Balkonfrühstück am Pfingstmontag stehen leider nicht mehr auf der Set-List, schade eigentlich.

Kunzes musikalische Mitstreiter sind erste Wahl: "Gute Leute muß man haben", sprach er nach einem eindrucksvollen Solo von Heiner Lürig ins Mikro, des schlaksigen Gitarristen, dem seit langem der Feinschliff der HRK-Songs und -kompositionen überantwortet ist. Doch auch der Stirnenfuß und "Ich will es wissen" grooven und bringen massiv Bewegung ins Publikum - daran haben Ausnahme-Drummer CC Behrens und Raoul Walton am Baß erheblichen Anteil.

In der Zugabe ein absoluter Höhepunkt: Aller Herren Länder – Kunzes Hymne gegen die Fremdenfeindlichkeit – aus dem vorherigen Album Korrekt mündet in einem grandiosen Finale. Ein Medley mit den genialen Klassikern "My, my, hey, hey" von Neil Young und "Sympathy for the devil" aus der Schreibe der Stones.

Ulf Kaack, Kreiszeitung Syke, 24. April 2001

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