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1999

"Hauspoet und Hofnarr, der machen kann, was er will"

Heinz Rudolf Kunze am Freitag auf Korrektour in Salzgitter – Ein Interview

Wie viele seiner Kollegen startete er in als zorniger junger Mann mit politischen Texten. Mit dem Liebeslied Dein ist mein ganzes Herz landete er seinen größten Erfolg: Heinz Rudolf Kunze, zur Zeit auf Korrektour durch Deutschland und am Freitag, 30. Juli, 20 Uhr, beim Kultursommer im Hof des Schlosses Salzgitter-Salder zu Gast. Unser Redakteur Roland Comes sprach mit Heinz Rudolf Kunze.

Einst forderten Sie: Trau keinem Sänger, nun geben Sie sich "korrekt". Was sollen wir denn nun glauben?

Natürlich hoffe ich, glaubwürdig zu sein. Aber manchmal ist es nötig, auf die laute Pauke zu schlagen, um gehört zu werden. Es geht mir darum, mit bestimmten Klischees aufzuräumen. Vor allem mit den von manchen Kollegen immer wieder bedienten Betroffenheitsritualen.

Was meinen Sie damit?

Es geht um die Art und Weise, mit der eigenen Betroffenheit umzugehen. Wer das ehrlich macht, in seinen Liedern, hat meinen vollsten Respekt. Was ich als Ritual bezeichne, sind die Auftritte unter den jeweils richtigen Spruchbändern.

Und was ist mit den anderen Ritualen, ohne die kaum ein Künstler auf der Bühne auskommt?

Die lassen sich auf Dauer nicht vermeiden. Man ist nicht jeden Tag gleicher Laune, doch auf der Bühne hat das nicht zu interessieren. Da bedarf es bestimmter Verhaltensrituale, um diesen Situationen zu begegnen.

Worauf bezieht sich der Titel Korrekt?

Zunächst auf eine sprachliche Beobachtung. So wie wir "okay" sagen, verwenden die unter 20jährigen heute die Floskel "is' korrekt". Außerdem ist das etwas, wo ich mich selbst nicht ganz von frei machen kann, diese preußisch-zuverlässige Seite. Als gebürtiger Brandenburger habe ich das wohl in den Genen.

Und die Inhalte, die Texte, wie kommen die zustande?

Ich habe gar keine Wahl. Ich kann mir nicht aussuchen, was ich schreibe – da bin ich machtlos. Erst hinterher kann ich nachvollziehen, was da welche Spuren in mir hinterlassen hat. Ich ziehe mich zum Schreiben auch nicht irgendwann in die Klause zurück, sondern notiere ständig, auch wenn ich unterwegs bin. Zu Hause wird dann ausgewertet. Zudem hatte ich das große Glück, gleich zu Beginn von meiner Plattenfirma einen Fünf-Jahres-Vertrag zu bekommen, davon kann ein Anfänger heute nur träumen. Mittlerweile bin ich da so etwas wie der Hauspoet und Hofnarr, der machen kann, was er will.

Wie gehen Sie nach mehr als 15 Jahren mit dem Erfolgsdruck um?

Erfolg ist schön, aber er legt auch fest. Wenn ich mit etwas fertig bin, weiß ich genau, was daran nicht perfekt war. Dem muß man auf der Fährte bleiben, es immer noch etwas besser machen zu wollen. Schließlich habe ich früh gemerkt, daß die Musik mehr ist als eine Episode, daß mich das über einen Großteil meines Lebens begleiten wird. Da muß man ab und an bereit sein, alles in Frage zu stellen.

Braunschweiger Zeitung, 28. Juli 1999

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